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Entscheidungsstichwort (Thema)
Absehen von einer durch Vorsitzendenschreiben angeordneten Beweisaufnahme
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Leitsatz (NV)
Das Gericht hat zur Vermeidung einer 脺berraschungsentscheidung vor Erlass seines Urteils die von ihm durch einen Beweisbeschluss geschaffene Prozesslage mit der erforderlichen Klarheit wieder zu beseitigen, wenn es nicht mehr beabsichtigt, den Beweis zu erheben. Entsprechendes gilt, wenn der Vorsitzende kurz vor der m眉ndlichen Verhandlung in einem den Beteiligten bekanntgegebenen Schreiben ausdr眉cklich anordnet, dass ein Zeuge zu einem bestimmten, relevanten Beweisthema anzuh枚ren sei, dies aber ohne weiteren Hinweis des Gerichts schlie脽lich unterbleibt.
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Normenkette
FGO 搂听76 Abs. 1 S. 1, 搂听96 Abs. 2, 搂听115 Abs. 2 Nr. 3, 搂听116 Abs.听3, 6; GG Art. 103
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Verfahrensgang
FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 14.06.2012; Aktenzeichen 7 K 7340/11) |
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Rz. 1
Die zul盲ssige Beschwerde ist begr眉ndet. Sie f眉hrt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zur眉ckverweisung des Rechtsstreits an das Finanzgericht (FG) gem盲脽 搂 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Rz. 2
1. Ein von der Kl盲gerin und Beschwerdef眉hrerin (Kl盲gerin) geltend gemachter Verfahrensfehler i.S. des 搂 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, liegt vor.
Rz. 3
a) Das FG hat der Kl盲gerin rechtliches Geh枚r (Art. 103 des Grundgesetzes, 搂 96 Abs. 2 FGO) versagt, indem es ihr vor Erlass des Urteils nicht mit der unter den gegebenen besonderen Umst盲nden des Streitfalls gebotenen Klarheit zu erkennen gegeben hat, dass es --entgegen der in dem Schreiben des Vorsitzenden vom 6. Juni 2012 angeordneten Anh枚rung-- nicht mehr beabsichtige, den Zeugen B zu vernehmen.
Rz. 4
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entsteht durch einen (f枚rmlichen) Beweisbeschluss eine Verfahrenslage, auf welche die Beteiligten ihre Prozessf眉hrung einrichten d眉rfen. Sie k枚nnen grunds盲tzlich davon ausgehen, dass das Urteil nicht eher ergehen wird, bis der Beweisbeschluss vollst盲ndig ausgef眉hrt ist. Zwar ist das Gericht nicht verpflichtet, eine angeordnete Beweisaufnahme in vollem Umfang durchzuf眉hren. Will es von einer Beweisaufnahme absehen, muss es zur Vermeidung einer 脺berraschungsentscheidung vor Erlass des Urteils die von ihm durch den Beweisbeschluss geschaffene Prozesslage wieder beseitigen. Dazu hat es f眉r die Beteiligten unmissverst盲ndlich zum Ausdruck zu bringen, dass es den Beweisbeschluss als erledigt betrachtet (vgl. BFH-Beschl眉sse vom 3. Dezember 2002 X B 26/02, BFH/NV 2003, 343; vom 27. August 2010 III B 113/09, BFH/NV 2010, 2292; vom 19. Januar 2012 X B 4/10, BFH/NV 2012, 958; vom 19. Dezember 2012 XI B 84/12, BFH/NV 2013, 745, jeweils m.w.N.).
Rz. 5
c) Im Streitfall wurde von dem Senatsvorsitzenden des FG am 6. Juni 2012 angeordnet, Herrn B als Zeugen zu dem "Beweisthema: Absatzbem眉hungen der Kl盲gerin in den Jahren 2007 bis 2009" zu laden. Mit Schreiben noch vom 6. Juni 2012 wurde Herrn B mitgeteilt, er solle in der m眉ndlichen Verhandlung vom 14. Juni 2012 als Zeuge zu den Absatzbem眉hungen der Kl盲gerin in den Jahren 2007 bis 2009 vernommen werden. Mit weiteren Schreiben vom 6. Juni 2012 wurden die Beteiligten hiervon unterrichtet.
Rz. 6
Den Akten des FG kann kein Hinweis an die Beteiligten entnommen werden, dass von der in dem Schreiben des Vorsitzenden angeordneten Zeugeneinvernahme abgesehen werden solle. Vielmehr hatte der Senatsvorsitzende noch mit Schreiben vom 11. Juni 2012 --kurz vor dem Termin zur m眉ndlichen Verhandlung am 14. Juni 2012-- den Zeugen B aufgefordert, dessen mit Telefax vom 8. Juni 2012 mitgeteilte Verhinderung (l盲ngerfristig geplanter Urlaub) nachzuweisen. Auch aus der Niederschrift 眉ber die m眉ndliche Verhandlung am 14. Juni 2012 l盲sst sich nicht entnehmen, dass das FG zu erkennen gegeben hat, es werde ein Urteil f盲llen, ohne zuvor den Zeugen B zu h枚ren.
Rz. 7
d) Ein Hinweis darauf, dassein Beweisbeschluss nicht oder nicht vollst盲ndig ausgef眉hrt werde, kann zwar entbehrlich sein. Hierf眉r gen眉gt jedoch nicht, dass die Beteiligten allgemein in Betracht ziehen m眉ssen, das FG werde von der Beweisaufnahme absehen. Die Beteiligten k枚nnen grunds盲tzlich davon ausgehen, dass das Urteil nicht eher ergehen wird, bis der Beweisbeschluss vollst盲ndig ausgef眉hrt ist. Abweichendes kann nur gelten, wenn das Gericht zu Recht davon ausgehen kann, es sei auch aus der Sicht der Beteiligten zweifelsfrei, dass sich eine angeordnete Beweisaufnahme erledigt habe, ohne dass es eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises bed眉rfe (vgl. BFH-Beschl眉sse in BFH/NV 2012, 958, und in BFH/NV 2013, 745, jeweils m.w.N.).
Rz. 8
Entsprechendes gilt unter den besonderen Umst盲nden des Streitfalls f眉r die durch das Schreiben vom 6. Juni 2012 unmittelbar vor Durchf眉hrung der m眉ndlichen Verhandlung am 14. Juni 2012 geweckte Erwartung der Beteiligten, der Zeuge B werde vor dem Ergehen eines Urteils noch vernommen. Das FG durfte nicht davon ausgehen, auch aus Sicht der Beteiligten sei zweifelsfrei gewesen, dass sich die angeordnete Zeugeneinvernahme erledigt habe, nachdem es im Termin die ordnungsgem盲脽e Ladung des Zeugen festgestellt hatte und auf dessen Mitteilung, dass er sich im Urlaub befinde, hinwies.
Rz. 9
e) Die Kl盲gerin hat diesen Versto脽 auch in einer den Anforderungen des 搂 116 Abs. 3 FGO entsprechenden Weise dargelegt. Insbesondere war das Beweisthema (Absatzbem眉hungen der Kl盲gerin) entscheidungserheblich (Urteil, S. 6).
Rz. 10
2. Hiernach braucht der Senat nicht mehr auf den von der Kl盲gerin ferner geltend gemachten Verfahrensfehler einzugehen, das FG habe es trotz mehrmaliger Bitte unterlassen, sie auf ausstehende Unterlagen oder unzureichenden Sachvortrag hinzuweisen und damit gegen 搂 76 Abs. 2 FGO versto脽en und es habe die eingereichten Unterlagen zu Unrecht als versp盲tet zur眉ckgewiesen, obgleich es kurz zuvor noch zu deren Beibringung aufgefordert habe.
Rz. 11
3. Der BFH kann gem盲脽 搂 116 Abs. 6 FGO auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zur眉ckverweisen, sofern --wie hier-- die Voraussetzungen des 搂 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vorliegen. Es erscheint sachgerecht, entsprechend dieser Vorschrift zu verfahren, da im Streitfall von einer Revisionsentscheidung keine weitere rechtliche Kl盲rung zu erwarten ist (vgl. BFH-Beschl眉sse vom 17. September 2003 I B 18/03, BFH/NV 2004, 207; vom 29. Januar 2010 II B 107/09, BFH/NV 2010, 938; vom 22. M盲rz 2012 XI B 1/12, BFH/NV 2012, 1170, Rz 19).
Rz. 12
4. Der Senat sieht von einer weiteren Begr眉ndung ab (搂 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
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Fundstellen
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BFH/NV 2013, 1791 |