Neues Leitentscheidungsverfahren am BGH geplant

Der vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) vorgelegte Referentenentwurf zum Leitentscheidungsverfahren zielt darauf ab, die Justiz durch eine effiziente Erledigung von Massenverfahren zu entlasten. Darüber hinaus soll durch eine höchstrichterliche Klärung offener Rechtsfragen in gleichgelagerten Verfahren mehr Rechtssicherheit und ein hoher Standard der Rechtsprechung gewährleistet werden.
Überlastung der Zivilgerichte durch Massenklagen
Anlass für die Initiative des BMJ sind nicht zuletzt die massenhaften Klagen von Autokäufern im Zusammenhang mit dem Dieselskandal. Aber auch in anderen Verfahren sind die Zivilgerichte durch massenhafte Einzelklagen überlastet, häufig in verbraucherrechtlichen Streitigkeiten (u. a. Klagen gegen Fitnessstudios, Fluggesellschaften und Finanzinstitute). In diesen Verfahren zeigt sich, dass eine Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen durch eine höchstrichterliche Entscheidung des BGH Voraussetzung für eine zügige und effektive Erledigung solcher Verfahren ist.
BGH bestimmt Leitentscheidungsverfahren durch Beschluss
Nach dem vom BMJ vorgelegten Referentenentwurf soll durch einen neuen § 552b ZPO-E die Möglichkeit geschaffen werden, dass der BGH aus bei ihm anhängigen gleichgelagerten Revisionsverfahren exemplarisch ein Verfahren auswählt, in dem ein möglichst breites Spektrum der offenen Rechtsfragen zum Tragen kommt.
- Dieses Verfahren kann der BGH dann durch Beschluss zum Leitverfahren bestimmen.
- Der Beschluss muss nach § 552b Satz 2 ZPO-E die Darstellung des Sachverhalts und der Rechtsfragen enthalten, deren Entscheidung für eine Vielzahl weiterer Verfahren von Bedeutung ist.
- Eine Güteverhandlung ist nach § 555 Abs. 2 ZPO-E nicht erforderlich.
Gerichte können Verfahren bis zur BGH-Entscheidung aussetzen
Sobald der BGH einen solchen Beschluss gefasst hat, besteht für die mit gleich gelagerten Verfahren befassten Instanzgerichte die Möglichkeit, diese Verfahren bis zur Entscheidung des BGH auszusetzen. Voraussetzung ist allerdings die Zustimmung der Parteien zur Aussetzung, § 148 Abs. 4 ZPO-E.
Leitentscheidung nicht vom Parteiverhalten abhängig
Hat der BGH ein Verfahren zum Leitentscheidungsverfahren bestimmt, kann er das Verfahren unabhängig vom Willen der Parteien bis zur Leitentscheidung führen, § 565 Abs. 1 ZPO-E. Weder die Rücknahme der Revision noch der Abschluss eines Vergleiches hindern die Fortführung des Verfahrens durch den BGH. Im Fall der frühzeitigen Erledigung des Revisionsverfahrens hat die später getroffene Leitentscheidung allerdings keine Auswirkungen mehr für die Parteien des erledigten Revisionsverfahrens.
Leitentscheidung ohne formale Bindungswirkung
Für die übrigen anhängigen Verfahren gleicher Art dient die Leitentscheidung des BGH als Orientierung und schafft Rechtssicherheit. Eine formelle Bindungswirkung entfaltet der Leitentscheidung jedoch nicht.
Rechtsanwaltsvergütung soll durch Neuregelung unberührt bleiben
Eine Änderung des § 19 Abs. 1 RVG stellt klar, dass das Leitentscheidungsverfahren vergütungsrechtlich zur Revision gehört und keine gesonderten Gebühren auslöst. Eine Stellungnahme eines Prozessvertreters erst im Leitentscheidungsverfahren soll aber nicht zu der nach Nr. 3209 VV RVG vorgesehenen Gebührenermäßigung bei fehlender Revisionserwiderung führen.
BMJ plant Maßnahmenbündel zur Justizentlastung
Das neue Leitentscheidungsverfahren gehört zu einem Maßnahmenbündel, mit dem das BMJ die Durchführung von Massenverfahren effektiver gestalten und die Justiz entlasten will. Eine weitere Initiative betrifft die Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie.
Beschränkung des Leitentscheidungsverfahrens auf den Zivilprozess
Mit Änderungen des ArbGG, des SGG, der VwGO und der FG wird klargestellt, dass das Leitentscheidungsverfahren in diesen Gerichtsordnungen keine entsprechende Anwendung findet.
Breite Zustimmung für das Reformvorhaben
Der Deutsche Richterbund fordert die nun eingeleitete Reform seit langem. Auch die BRAK steht dem Vorhaben des BMJ grundsätzlich positiv gegenüber.
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