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Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung des rechtlichen Geh枚rs aufgrund Nichtvernehmung eines Zeugen
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Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Verletzung des rechtlichen Geh枚rs.
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Leitsatz (redaktionell)
Wenn ein Gericht die rechtzeitig innerhalb der gesetzten Frist eingegangene Mitteilung der ladungsf盲higen Anschrift des Zeugen nicht zur Kenntnis nimmt und deshalb dessen Vernehmung unterbleibt, verletzt es das Grundrecht des rechtlichedn Geh枚rs, gleichg眉ltig ob die Ursache hierf眉r etwa in einem Versehen der Gesch盲ftsstelle liegt, die den Schriftsatz u. U. nicht unverz眉glich zu den Akten gegeben hat.
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Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; ZPO 搂听273 Abs. 2 Nr. 1, 搂听356
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Verfahrensgang
Saarl盲ndisches OLG (Entscheidung vom 22.02.1978; Aktenzeichen 1 U 195/76) |
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I.
1. Die Parteien des Ausgangsverfahrens sind Teppichh盲ndler. Sie standen im Jahre 1972 in Gesch盲ftsbeziehungen, in deren Verlauf der beklagte Beschwerdef眉hrer mehrere von der Kl盲gerin ausgestellte Wechsel akzeptierte. Die Kl盲gerin nahm den Beschwerdef眉hrer zun盲chst im Wechselproze脽 auf Zahlung von 5.000 DM nebst Zinsen und Wechselunkosten aus einem Wechsel vom 6. Dezember 1972 in Anspruch, der zum 10. Juli 1973 f盲llig gestellt, jedoch von dem Beschwerdef眉hrer nicht eingel枚st worden und zu Protest gegangen war.
Nach Verurteilung des Beschwerdef眉hrers durch Vorbehaltsurteil im Wechselproze脽 stritten die Parteien im Nachverfahren dar眉ber, ob dem Wechsel noch eine Forderung zugrunde gelegen hatte. Der Beschwerdef眉hrer behauptete, er habe am 12. Mai 1973 mit dem Ehemann der Kl盲gerin als ihrem Generalbevollm盲chtigten eine Gesamtabrechnung 眉ber alle zwischen ihnen gef眉hrten Gesch盲fte mit dem Ergebnis vorgenommen, da脽 der Kl盲gerin noch ein Betrag von 2.165,59 DM zugestanden habe. In dieser H枚he habe er dem Ehemann der Kl盲gerin einen Scheck 眉bergeben; dieser habe sich seinerseits zur R眉ckgabe der noch im Umlauf befindlichen Warenwechsel verpflichtet. Die Kl盲gerin bestritt diese Vereinbarung und trug vor, der eingeklagte Wechsel habe mit den Teppichgesch盲ften nichts zu tun; ihm liege vielmehr ein von ihr dem Beschwerdef眉hrer im Dezember 1972 und Juni 1973 gew盲hrtes Darlehen 眉ber insgesamt 15.000 DM zugrunde, f眉r welches der Beschwerdef眉hrer ihr drei Wechsel 眉ber je 5.000 DM gegeben, aber bei F盲lligkeit nur zwei der Wechsel eingel枚st habe. Diesen Angaben trat der Beschwerdef眉hrer mit der Behauptung entgegen, er habe von dem Ehemann der Kl盲gerin lediglich ein Darlehen in H枚he von 5.000 DM erhalten, welches er durch Einl枚sung des hierf眉r gegebenen Wechsels 眉ber 5.217 DM zur眉ckgezahlt habe.
Das Landgericht erkl盲rte nach Beweisaufnahme das Vorbehaltsurteil f眉r vorbehaltlos und wies eine von dem Beschwerdef眉hrer erhobene Widerklage auf Herausgabe des Wechsels ab, da der Beschwerdef眉hrer seine Darstellung 眉ber den Inhalt der angeblichen Gesamtabrechnung vom 12. Mai 1973 ebensowenig habe beweisen k枚nnen wie die Behauptungen, da脽 f眉r den Wechsel auch im 眉brigen kein Rechtsgrund bestehe und der Ehemann der Kl盲gerin 眉berdies in der Form eines negativen Schuldanerkenntnisses ausdr眉cklich erkl盲rt habe, der Beschwerdef眉hrer schulde ihm nichts mehr.
Mit der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts wiederholte der Beschwerdef眉hrer seinen erstinstanzlichen Vortrag und stellte ihn unter Beweis durch Antrag auf Vernehmung seines Bruders Dr S. sowie des bereits vor dem Landgericht vernommenen Ehemannes der Kl盲gerin als Zeugen. In der m眉ndlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht vom 1. Februar 1978 benannte der Beschwerdef眉hrer die beiden Zeugen ausdr眉cklich f眉r die Behauptung, dem Wechsel liege keine Darlehensschuld zugrunde. Zur n盲heren Begr眉ndung f眉hrte er aus: Sein Bruder sei bei der Besprechung am 12. Mai 1973 zugegen gewesen; hierbei sei der Wechsel zur Sprache gekommen; bei dieser Gelegenheit habe der Ehemann der Kl盲gerin erkl盲rt, dem Wechsel liege kein Darlehen zugrunde. Mit R眉cksicht darauf, da脽 der Zeuge nach den Angaben des Beschwerdef眉hrers umgezogen war, gab das Oberlandesgericht dem Proze脽bevollm盲chtigten des Beschwerdef眉hrers auf, binnen einer Woche die ladungsf盲hige Anschrift des Zeugen mitzuteilen. Mit Schriftsatz vom 3. Februar 1978, der nach dem Eingangsstempel am 7. Februar 1978 bei Gericht einging, kam der Proze脽bevollm盲chtigte des Beschwerdef眉hrers dieser Auflage nach.
Das Oberlandesgericht wies die Berufung des Beschwerdef眉hrers zur眉ck: Dem Beschwerdef眉hrer st眉nden keine rechtserheblichen Einwendungen gegen die Wechselforderung zu. Es sei ihm nicht gelungen, nachzuweisen, da脽 der Wechselbegebung kein Darlehen zugrunde gelegen habe, oder da脽 dieser Rechtsgrund nach Begebung des Wechsels weggefallen sei. Der Ehemann der Kl盲gerin habe in seiner Zeugenaussage vor dem Landgericht den Sachvortrag der Kl盲gerin best盲tigt. Da sich der Zeuge in umfangreicher, differenzierter Weise zu dem streitigen Parteivortrag ge盲u脽ert habe, sei seine erneute Vernehmung nicht geboten gewesen. Von der Vernehmung des Zeugen Dr S. habe der Senat abgesehen, weil der Beschwerdef眉hrer trotz entsprechender Auflage die ladungsf盲hige Anschrift des Zeugen nicht mitgeteilt habe.
Mit Beschlu脽 vom 28. Juni 1978 berichtigte das Oberlandesgericht auf Antrag des Beschwerdef眉hrers die Begr眉ndung f眉r die unterlassene Vernehmung des Zeugen Dr S., indem es den Nebensatz 鈥瀌enn der Beklagte hat trotz einer entsprechenden Auflage die ladungsf盲hige Anschrift des Zeugen nicht mitgeteilt鈥 f眉r gestrichen erkl盲rte.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde r眉gt der Beschwerdef眉hrer die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Geh枚r. Er macht geltend: Das Oberlandesgericht habe 眉bersehen, da脽 er mit dem am 7. Februar 1978 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz fristgerecht die ladungsf盲hige Anschrift des Zeugen Dr S. mitgeteilt habe. Es sei nicht auszuschlie脽en, da脽 das Oberlandesgericht eine andere Entscheidung getroffen haben w眉rde, wenn es die Mitteilung der Anschrift des Zeugen beachtet und den Schriftsatz vom 3. Februar 1978 nicht 眉bersehen h盲tte.
3. Der Minister f眉r Rechtspflege des Saarlandes und die Kl盲gerin des Ausgangsverfahrens haben sich zu der ihnen zugestellten Verfassungsbeschwerde nicht ge盲u脽ert.
II.
Die zul盲ssige Verfassungsbeschwerde ist begr眉ndet.
Das Oberlandesgericht hat den Anspruch des Beschwerdef眉hrers auf Gew盲hrung des rechtlichen Geh枚rs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Nach der st盲ndigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht, die Ausf眉hrungen der Proze脽beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erw盲gung zu ziehen (BVerfGE 42, 364 (367) mwN; 50, 32 (35)). Dabei soll das Gebot des rechtlichen Geh枚rs als Proze脽grundrecht sicherstellen, da脽 die erlassene Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtber眉cksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (BVerfGE 50, 32 (35)). In diesem Sinn gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grunds盲tzen der Zivilproze脽ordnung die Ber眉cksichtigung jedes Schriftsatzes, der innerhalb einer gesetzlichen oder richterlich bestimmten Frist bei Gericht eingeht (BVerfGE 34, 344 (347); 11, 218 (220)).
Gegen diesen Grundsatz hat das Oberlandesgericht versto脽en; denn es hat die rechtzeitig innerhalb der gesetzten Wochenfrist eingegangene Mitteilung der ladungsf盲higen Anschrift des Zeugen Dr. S. nicht zur Kenntnis genommen. Ob die Ursache hierf眉r etwa in einem Versehen der Gesch盲ftsstelle lag, die den Schriftsatz unter Umst盲nden nicht unverz眉glich zu den Akten gegeben hat, ist unerheblich. Das Gericht ist insgesamt daf眉r verantwortlich, da脽 das Gebot des rechtlichen Geh枚rs eingehalten wird. Auf ein Verschulden kommt es dabei nicht an (BVerfGE 48, 394 (395/396)).
Das angegriffene Urteil beruht auch m枚glicherweise auf dem Versto脽 gegen Art. 103 Abs. 1 GG (BVerfGE 29, 340 (344); 50, 32 (36); 50, 280 (286)). Wie dem Auflagenbeschlu脽 vom 1. Februar 1978 und der Begr眉ndung f眉r die unterlassene Vernehmung des Zeugen Dr S. zu entnehmen ist, hat das Oberlandesgericht die durch Benennung des Zeugen unter Beweis gestellte Behauptung f眉r erheblich gehalten. Da der Proze脽bevollm盲chtigte des Beschwerdef眉hrers in der m眉ndlichen Verhandlung die Leistung des gerichtlich geforderten Auslagenvorschusses zugesichert hatte, ist davon auszugehen, da脽 das Oberlandesgericht den Zeugen vernommen haben w眉rde, wenn es die Erf眉llung der gerichtlichen Auflage durch Angabe der ladungsf盲higen Anschrift des Zeugen zur Kenntnis genommen h盲tte. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, da脽 das Oberlandesgericht nach Durchf眉hrung einer Beweisaufnahme eine andere, dem Beschwerdef眉hrer g眉nstigere Entscheidung getroffen haben w眉rde. Der Zeuge war vor dem Landgericht nicht vernommen worden. Aus dem Akteninhalt ist daher nicht zu ersehen, welche Angaben er voraussichtlich 眉ber den Inhalt der am 12. Mai 1973 getroffenen Vereinbarungen und 眉ber die von dem Ehemann der Kl盲gerin abgegebenen Erkl盲rungen, insbesondere im Hinblick auf das Bestehen oder Nichtbestehen einer Darlehensschuld des Beschwerdef眉hrers, machen konnte. Ebensowenig l盲脽t sich feststellen, in welcher Weise das Oberlandesgericht das Ergebnis einer Beweisaufnahme einschlie脽lich der pers枚nlichen Glaubw眉rdigkeit des vernommenen Zeugen beurteilt haben w眉rde.
Da mithin das Ergebnis und die W眉rdigung der durchzuf眉hrenden Beweisaufnahme durch das Oberlandesgericht sowohl in objektiver Hinsicht als auch nach dem subjektiven Eindruck offen sind, ist insgesamt die M枚glichkeit nicht auszuschlie脽en, da脽 das Oberlandesgericht bei Gew盲hrung des rechtlichen Geh枚rs zu einem anderen Ergebnis gelangt w盲re.
Das angegriffene Urteil mu脽 daher aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zur眉ckverwiesen werden.
Die Entscheidung 眉ber die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdef眉hrers beruht auf 搂 34 Abs. 4 BVerfGG.
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Fundstellen
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BVerfGE, 219 |