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Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der Tatsache im Sinne des 搂 173 Abs. 1 AO 1977; Werbungskosten bei Vorbehaltsnie脽brauch
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Leitsatz (NV)
1. Irren sich die Beteiligten 眉ber den Umfang eines Vorbehaltsnie脽brauchs an einem Grundst眉ck, so unterliegen sie einem Rechtsirrtum. Eine 脛nderung nach 搂 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 kommt nicht in Betracht, wenn sich nachtr盲glich herausstellt, da脽 der Vorbehaltsnie脽brauch sich auf das ganze Grundst眉ck erstreckt.
2. Zum Werbungskostenabzug bei teilweiser Eigennutzung eines Wohngeb盲udes, das mit einem Nie脽brauch belastet ist.
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Normenkette
AO 1977 搂 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG 搂听21 Abs. 2 S. 1, 搂听9 Abs. 1 S. 1
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Tatbestand
Der Kl盲ger und Revisionsbeklagte (Kl盲ger) erwarb von seiner Mutter durch notariell beurkundeten Vertrag unentgeltlich ein bebautes Grundst眉ck. Seine Mutter behielt sich an dem Vertragsgegenstand ein lebensl盲ngliches, unentgeltliches Nie脽brauchsrecht vor, das nach dem 脺bergabevertrag im Grundbuch eingetragen werden soll. Besitz und Nutzungen sollen mit der Beendigung des Nie脽brauchs auf den Kl盲ger 眉bergehen. 1967 errichtete der Kl盲ger auf dem Grundst眉ck einen Anbau und drei Garagen. Er bewohnt mit seiner Familie unentgeltlich das Erdgescho脽 und den Anbau, seine Mutter das Obergescho脽.
In einer Anlage zu seiner Steuererkl盲rung f眉r 1967, die er mit Hilfe eines Angeh枚rigen der steuerberatenden Berufe gefertigt hatte, teilte der Kl盲ger dem Beklagten und Revisionskl盲ger (Finanzamt - FA -) mit: ,,Die R盲ume im OG werden von der Mutter auf Grund eines not. beurkundeten Nie脽brauchsrechts genutzt. Ein Mietwert ist f眉r diese R盲ume nicht anzusetzen."
In den Streitjahren 1971 bis 1975 legte das FA bei den Eink眉nften aus Vermietung und Verpachtung f眉r die vom Kl盲ger und seiner Familie genutzten R盲ume im Altbau und im Anbau eine Rohmiete von je 5 400 DM f眉r 1971 und 1972 und von je 5 682 DM f眉r 1973 bis 1975 zugrunde. Als Werbungskosten zog es die vom Kl盲ger erkl盲rten Aufwendungen (Zinsen, Versicherungsbeitr盲ge, Kosten der Hausverwaltung, Absetzungen f眉r Abnutzung - AfA - nach 搂 7 des Einkommensteuergesetzes - EStG - f眉r den Altbau sowie erh枚hte Absetzungen nach 搂 7b EStG f眉r den Anbau) ab. Dadurch ergaben sich in den Streitjahren jeweils 脺bersch眉sse der Werbungskosten 眉ber die Einnahmen. Bei der Anfertigung der Steuererkl盲rungen hatten jeweils die vormaligen Proze脽bevollm盲chtigten des Kl盲gers mitgewirkt.
Die Steuerfestsetzungen f眉r 1971 bis 1973 wurden bestandskr盲ftig. Im Jahre 1978 beantragte der Kl盲ger die 脛nderung der Einkommensteuerbescheide f眉r die Streitjahre nach 搂 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 mit der Begr眉ndung, seiner Mutter stehe der Nie脽brauch am gesamten Grundst眉ck zu. Es sei erst jetzt bekanntgeworden, da脽 es sich um einen unbeschr盲nkten Nie脽brauch handle. Deshalb seien die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung einschlie脽lich des Nutzungswerts f眉r die vom Kl盲ger und seiner Familie genutzte Wohnung allein der Nie脽braucherin zuzurechnen. Das FA lehnte den 脛nderungsantrag ab.
Im Klageverfahren wandte sich der Kl盲ger gegen die Zurechnung des Vertreterverschuldens.
Das Finanzgericht (FG) gab den Klagen, mit denen der Kl盲ger Herabsetzung der Einkommensteuer auf diejenigen Betr盲ge begehrte, die sich ohne den Nutzungswert der vom Kl盲ger genutzten Wohnungen ergeben, mit dem angefochtenen, in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 264 ver枚ffentlichten Urteil teilweise statt. Zur Begr眉ndung f眉hrte es aus: Die Tatsache, da脽 sich der Nie脽brauch nach dem Wortlaut des 脺bergabevertrages auf den ganzen Vertragsgegenstand erstrecke, sei dem FA erst nachtr盲glich bekanntgeworden. An dem nachtr盲glichen Bekanntwerden treffe den Kl盲ger selbst kein grobes Verschulden. Er brauche sich das etwaige Verschulden seines steuerlichen Beraters nicht zurechnen zu lassen. Das FA habe zu Unrecht den Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung dem Kl盲ger in vollem Umfang zugerechnet. Der Nutzungswert des gesamten Grundst眉cks sei an sich der Mutter des Kl盲gers zuzurechnen, weil ihr ein Nie脽brauchsrecht an dem Grundst眉ck zustehe. Das gelte auch insoweit, als die Mutter die Wohnr盲ume dem Kl盲ger und seiner Familie unentgeltlich 眉berlassen habe. Das Nie脽brauchsrecht erstreckte sich jedoch nur auf das bei Abschlu脽 des 脺bergabevertrags vorhandene Wohngeb盲ude, nicht auf den vom Kl盲ger sp盲ter errichteten und von ihm finanzierten Anbau und die Garagen. Nur den Nutzungswert dieser Neubauten m眉sse der Kl盲ger versteuern. Dementsprechend seien seine Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in den Streitjahren jeweils um 2 250 DM zu k眉rzen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als der Klage entsprochen wurde, und die Klage gegen die Einspruchsentscheidungen des FA in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kl盲ger beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
Er h盲lt an seiner Ansicht fest, ihm sei das etwaige Verschulden seines Beraters nicht zuzurechnen.
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Die Revision ist begr眉ndet. Sie f眉hrt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klagen (搂 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Nach 搂 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 sind Steuerbescheide zugunsten des Steuerpflichtigen aufzuheben oder zu 盲ndern, soweit nachtr盲glich Tatsachen oder Beweismittel bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer f眉hren und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, da脽 die Tatsachen oder Beweismittel erst nachtr盲glich bekanntwerden. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, da脽 diese Vorschrift auch auf die Steuerfestsetzungen der Streitjahre anzuwenden ist (Art. 97 搂 9 des Einf眉hrungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -). Unzutreffend ist jedoch die Ansicht des FG, der Kl盲ger brauche sich ein etwaiges grobes Verschulden seines Beraters nicht zurechnen zu lassen. Der BFH hat nach Verk眉ndung des angefochtenen Urteils mehrfach entschieden, da脽 sich der Steuerpflichtige das grobe Verschulden seines Beraters zurechnen lassen mu脽 (Urteile in BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324; vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81, BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2, und vom 8. Februar 1984 I R 33/80, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Abgabenordnung, 搂 173 Abs. 1 Nr. 2, Rechtsspruch 17). Dieser Rechtsauffassung hat sich der erkennende Senat angeschlossen (Urteil vom 12. Dezember 1984 IX R 25/80, nicht ver枚ffentlicht). Es bedarf jedoch keiner Entscheidung dar眉ber, ob die Berater des Kl盲gers grob schuldhaft handelten, indem sie dem FA erst nachtr盲glich mitteilten, der Nie脽brauch erstrecke sich auf das ganze Grundst眉ck.
Ein Anspruch des Kl盲gers auf 脛nderung der Steuerfestsetzung zu seinen Gunsten nach 搂 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 besteht jedenfalls deshalb nicht, weil dem FA nachtr盲glich keine Tatsachen bekanntgeworden sind, die die 脛nderung rechtfertigen k枚nnten. Das FG geht rechtsirrig davon aus, die Mitteilung des Kl盲gers, da脽 sich der Nie脽brauch auf das ganze Grundst眉ck erstrecke, enthalte eine ,,neue Tatsache". Tatsachen i. S. des 搂 173 AO 1977 sind Merkmale oder Teilst眉cke eines gesetzlichen Steuertatbestandes, also Zust盲nde, Vorg盲nge, Beziehungen, Eigenschaften materieller und immaterieller Art. Keine Tatsachen sind Schlu脽folgerungen, insbesondere juristische Subsumtionen (Urteile des BFH vom 28. M盲rz 1985 IV R 159/82, BFHE 144, 521, BStBl II 1986, 120, und vom 5. August 1986 IX R 13/81, BFHE 148, 394, BStBl II 1987, 297). Worauf sich der Nie脽brauch an einem Grundst眉ck erstreckt, ist eine Rechtsfrage. Er erstreckt sich kraft Gesetzes auf das gesamte Grundst眉ck mit allen seinen wesentlichen Bestandteilen. Die Bestellung eines Nie脽brauchs an einzelnen R盲umen oder Stockwerken eines Gesamtgeb盲udes ist nicht m枚glich (Urteil des Reichgerichts vom 27. Juni 1940 V 205/39, RGZ 164, 196; Beschlu脽 des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 26. Oktober 1979 - 2. ZS -, BReg. 2 Z 51/79, BayObLGZ 79, 361; Staudinger /Promberger, Kommentar zum B眉rgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., 搂 1 030 Rz. 4). Kommen nach Nie脽brauchsbestellung wesentliche Bestandteile - wie im vorliegenden Fall der Anbau und die Garagen - hinzu, so erstreckt sich der Nie脽brauch kraft Gesetzes (搂 93 des B眉rgerlichen Gesetzbuches - BGB -) auf diese Teile (Staudinger / Promberger, a.a.O., Rz. 6). Ein Nutzungsrecht an einzelnen R盲umen eines Geb盲udes l盲脽t sich nur im Wege einer beschr盲nkten pers枚nlichen Dienstbarkeit (Wohnungsrecht) nach 搂 1 093 BGB begr眉nden. Aufgrund der Anlage zur Steuererkl盲rung 1967 war dem FA bekannt, da脽 der Mutter des Kl盲gers ein notariell beurkundetes Nie脽brauchsrecht zustand. Sollte das FA aufgrund dieser Mitteilung davon ausgegangen sein, der Nie脽brauch der Mutter des Kl盲gers erstrecke sich nur auf die von ihr selbst genutzten R盲ume, so h盲tte es sich in einem Rechtsirrtum, nicht in einem Irrtum 眉ber Tatsachen befunden.
2. Im 眉brigen rechtfertigt die Erstreckung des Nie脽brauchs auf das gesamte Grundst眉ck keine niedrigere Steuerfestsetzung. Der Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung des Kl盲gers kann nicht auf Altbau und Neubau aufgeteilt werden, wie es das FG getan hat, weil sich, wie dargelegt, der Nie脽brauch auf das gesamte Grundst眉ck einschlie脽lich der nachtr盲glich errichteten Geb盲udeteile erstreckt. Der Nutzungswert der eigengenutzten Wohnung kann dem Kl盲ger entweder nur in vollem Umfang oder gar nicht zugerechnet werden. Wird der Nutzungswert der Wohnung dem Kl盲ger, wie er beantragt, nicht zugerechnet, darf er mangels Einnahmeerzielung keine Werbungskosten abziehen. Da das FA bisher in den umstrittenen Steuerfestsetzungen jeweils einen 脺berschu脽 der Werbungskosten 眉ber die Einnahmen ber眉cksichtigt hat, h盲tten die Steuerfestsetzungen bei dieser Fallgestaltung h枚her ausfallen m眉ssen. Ist dem Kl盲ger dagegen der Nutzungswert der von ihm selbst bewohnten Wohnung zuzurechnen, wovon das FA ausgegangen ist, darf er nur die mit dieser Wohnung zusammenh盲ngenden Aufwendungen, nicht auch die mit der Wohnung seiner Mutter zusammenh盲ngenden Aufwendungen abziehen (Urteile des BFH vom 23. April 1985 IX R 39/81, BFHE 144, 362, 365, BStBI II 1985, 720, und vom 30. Juli 1985 VIII R 71/81, BFHE 144, 376, BStBI II 1986, 327, Abschn. 3). Auch in diesem Fall sind die Steuerfestsetzungen jedenfalls nicht zu hoch ausgefallen.
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Fundstellen
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BFH/NV 1987, 772 |