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Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Weiterleitung, Zahlungen an Dritte
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Leitsatz (NV)
- Ein Dritter ist als tats盲chlicher Empf盲nger einer Zahlung dann nicht Leistungsempf盲nger i.S. des 搂 37 Abs. 2 AO 1977, wenn die Beh枚rde u.a. aufgrund einer Zahlungsanweisung des Erstattungs- bzw. Verg眉tungsberechtigten an den Dritten zahlt. Als Leistungsempf盲nger ist der nach materiellem Steuerrecht Erstattungs- bzw. Verg眉tungsberechtigte anzusehen. Diese Grunds盲tze gelten auch im steuerlichen Kindergeldrecht.
- Weist der urspr眉nglich kindergeldberechtigte Kindesvater die Familienkasse an, das Kindergeld auf ein anderes als das bisherige Konto zu 眉berweisen, ohne dabei mitzuteilen, dass nicht er, sondern die Kindesmutter Inhaberin des neu benannten Kontos sei, kann die Familienkasse mit befreiender Wirkung gegen眉ber dem Kindesvater auf das neu benannte Konto zahlen.
- Verletzt ein urspr眉nglich Kindergeldberechtigter seine im Rahmen des Kindergeldrechtverh盲ltnisses bestehende Mitwirkungspflicht, kann er sich gegen眉ber der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung nicht auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes berufen.
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Normenkette
AO 1977 搂 37 Abs. 2; EStG 搂听31 S. 3, 搂听64 Abs.听1, 2 S. 1, 搂听70 Abs. 2
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Tatbestand
I. Der Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) bezog seit M盲rz 1992 Kindergeld f眉r seinen 1984 geborenen Sohn P, der ab Februar 1992 in seinem Haushalt lebte. Nach dem 31. Dezember 1995 lebte P im Haushalt seiner Mutter, der geschiedenen Ehefrau des Kl盲gers.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 1995 bat der Kl盲ger den Beklagten und Revisionsbeklagten (Beklagter), das Kindergeld ab Januar 1996 auf das Konto XXX bei der R-Bank zu zahlen. Bei diesem Konto handelte es sich um das Konto der geschiedenen Ehefrau des Kl盲gers; das Schreiben enthielt keinen Hinweis darauf, dass nicht der Kl盲ger, sondern seine geschiedene Ehefrau Inhaberin des Kontos war. Daraufhin 眉berwies der Beklagte das Kindergeld ab Januar 1996 auf das vom Kl盲ger bezeichnete Konto.
Nachdem der Beklagte aufgrund einer Mitteilung der Familienkasse des Arbeitsamts L im August 1996 erfahren hatte, dass der neue Ehemann der geschiedenen Ehefrau des Kl盲gers Kindergeld f眉r P beantragt hatte, hob der Beklagte die Kindergeldfestsetzung f眉r P mit Bescheid vom 28. Oktober 1996 auf und forderte das f眉r den Zeitraum Januar bis September 1996 gezahlte Kindergeld in H枚he von 1 800 DM vom Kl盲ger zur眉ck. Den dagegen erhobenen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 5. M盲rz 1997 als unbegr眉ndet zur眉ck.
Mit seiner dagegen erhobenen Klage machte der Kl盲ger geltend, er habe das Kindergeld gar nicht erhalten, da dieses auf das Konto seiner geschiedenen Ehefrau geflossen sei. Im 脺brigen habe er dem Beklagten mit Schreiben vom 20. Dezember 1995 mitgeteilt, P werde ab 1. Januar 1996 im Haushalt seiner Mutter leben, und er bitte daher, die Zahlungen an ihn einzustellen und stattdessen das Kindergeld auf das Konto der Kindesmutter bei der R-Bank zu zahlen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegr眉ndet ab. Es entschied, ungeachtet der Tatsache, dass die Mutter des Kindes Inhaberin des vom Kl盲ger benannten Kontos sei, habe der Beklagte das Kindergeld an den Kl盲ger geleistet. Objektiv betrachtet habe der Kl盲ger nur die 脛nderung seiner Bankverbindung mitgeteilt, denn nur so sei das Schreiben des Kl盲gers vom 12. Dezember 1995 an den Beklagten zu verstehen. Der Beklagte habe nicht wissen k枚nnen, dass Kontoinhaber nicht der Kl盲ger, sondern eine dritte Person sei, zumal das Schreiben vom 20. Dezember 1995 nicht in den Akten befindlich sei. Wenn dieses Schreiben des Kl盲gers den Beklagten nicht erreicht habe, liege das in der Risikosph盲re des Kl盲gers. Demgem盲脽 habe der Beklagte die Kindergeldfestsetzung aufheben und das ohne rechtlichen Grund an den Kl盲ger gezahlte Kindergeld nach 搂 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) von diesem zur眉ckfordern k枚nnen.
Mit seiner Revision r眉gt der Kl盲ger die fehlerhafte Anwendung der 搂搂 64, 70 Abs. 2 und des 搂 37 Abs. 2 AO 1977.
Der Kl盲ger beantragt sinngem盲脽, den R眉ckforderungsbescheid des Beklagten vom 28. Oktober 1996 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. M盲rz 1997 und das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 8. Dezember 1997 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
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II. Die Revision des Kl盲gers ist unbegr眉ndet und daher zur眉ckzuweisen (搂 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung 鈥旻GO鈥). Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass der Kl盲ger gem盲脽 搂 37 Abs. 2 AO 1977 verpflichtet war, das an ihn f眉r die Zeit ab Januar 1996 gezahlte Kindergeld an den Beklagten zu erstatten.
1. Gem盲脽 搂 64 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird f眉r jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Die Regelung bedeutet zum einen, dass das Kindergeld f眉r ein und dasselbe Kind nicht mehrfach gew盲hrt wird; zum anderen ergibt sich aus der Vorschrift, dass eine Aufteilung unter mehreren Personen, die die Anspruchsvoraussetzungen erf眉llen, nicht stattfindet (Seewald/Felix, Kindergeldrecht, 搂 64 EStG Rdnr. 12). Vielmehr wird bei mehreren Berechtigten das Kindergeld nach dem sog. Obhutsprinzip demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (搂 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Eltern trennen und das Kind anschlie脽end nur bei einem Berechtigten im Haushalt lebt (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs 鈥旴FH鈥 vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231). Ein Versto脽 gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) liegt darin nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 10. November 1998 VI B 125/98, BFHE 187, 477, BStBl II 1999, 137).
2. Im Streitfall haben sich die f眉r die Zahlung des Kindergeldes erheblichen Verh盲ltnisse dadurch ge盲ndert, dass der Sohn des Kl盲gers ab Januar 1996 nur noch bei seiner Mutter lebte und in deren Haushalt aufgenommen war. Ab diesem Zeitpunkt stand das Kindergeld daher nicht mehr dem Kl盲ger, sondern der Kindesmutter zu. Demgem盲脽 war die bisherige Festsetzung des Kindergeldes zugunsten des Kl盲gers vom Zeitpunkt der 脛nderung der Verh盲ltnisse an aufzuheben (搂 70 Abs. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung). Einen Entscheidungsspielraum besitzt die Verwaltung insoweit nicht (Felix in Kirchhof/S枚hn, Einkommensteuergesetz, 搂 70 Rdnr. C 13; BFH-Beschluss in BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231).
Aufgrund der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ab Januar 1996 war der Kl盲ger daher gem盲脽 搂 37 Abs. 2 AO 1977 verpflichtet, das an ihn seit diesem Zeitpunkt gezahlte Kindergeld von insgesamt 1 800 DM zu erstatten. Denn ist eine Steuerverg眉tung, wie das Kindergeld (搂 31 Satz 3 EStG), ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zur眉ckgezahlt worden, so hat derjenige, f眉r dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist (hier: der Beklagte) nach 搂 37 Abs. 2 AO 1977 gegen眉ber dem Leistungsempf盲nger (hier: der Kl盲ger) einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zur眉ckgezahlten Betrages. Diese Rechtsfolgen treten auch dann ein, wenn der rechtliche Grund f眉r die Zahlung sp盲ter wegf盲llt (搂 37 Abs. 2 Satz 2 AO 1977). Durch die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung mit Bescheid des Beklagten vom 28. Oktober 1996 ist der rechtliche Grund f眉r die Zahlung des Kindergeldes an den Kl盲ger weggefallen. Dieser ist 鈥晈ie vom FG richtig erkannt鈥 daher verpflichtet, den zur眉ckgeforderten Betrag von 1 800 DM an den Beklagten zu erstatten.
3. Der Kl盲ger kann sich nicht darauf berufen, das Kindergeld sei auf ein Konto seiner Ehefrau 眉berwiesen worden und Leistungsempf盲nger i.S. des 搂 37 Abs. 2 AO 1977 sei deshalb nicht er, sondern seine Ehefrau. Nach st盲ndiger BFH-Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, ist ein Dritter als tats盲chlicher Empf盲nger einer Zahlung dann nicht Leistungsempf盲nger i.S. des 搂 37 Abs. 2 AO 1977, wenn die Beh枚rde u.a. aufgrund einer Zahlungsanweisung des Erstattungs- bzw. Verg眉tungsberechtigten an einen Dritten auszahlt (vgl. BFH-Beschluss vom 28. M盲rz 2001 VI B 256/00, BFH/NV 2001, 1117, m.w.N.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 搂 37 AO 1977 Tz. 113 a). Auch in einem derartigen Fall erbringt die Finanzbeh枚rde ihre Leistung mit dem Willen, eine Forderung gegen眉ber dem tats盲chlichen Rechtsinhaber zu erf眉llen. Da der durch die Anweisung beg眉nstigte Zahlungsempf盲nger den Zahlungsanspruch nicht aus eigenem Recht geltend machen kann und die Leistung mit dem Willen erbracht wird, eine Forderung gegen眉ber dem tats盲chlichen Rechtsinhaber mit befreiender Wirkung zu erf眉llen, ist nicht der Empf盲nger der Zahlung, sondern der nach materiellem Steuerrecht Erstattungs- bzw. Verg眉tungsberechtigte als Leistungsempf盲nger i.S. des 搂 37 Abs. 2 AO 1977 anzusehen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1117; BFH-Urteil vom 24. August 2001 VI R 83/99, BFH/NV 2001, 1635). Diese Grunds盲tze gelten auch im steuerlichen Kindergeldrecht, da Kindergeld als Steuerverg眉tung (vgl. 搂 31 Satz 3 EStG) gezahlt wird (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 2003 VIII R 64/01, BFH/NV 2003, 905).
Leistungsempf盲nger des ohne Rechtsgrund ausgezahlten Kindergeldes war im Streitfall der Kl盲ger. Zwar hat der Beklagte das Kindergeld auf ein Konto der Kindesmutter 眉berwiesen; dabei ist jedoch zu ber眉cksichtigen, dass der Kl盲ger mit der Angabe des Kontos seiner Ehefrau im Schreiben vom 12. Dezember 1995 dem Beklagten die Anweisung erteilt hatte, auf dieses Konto zu 眉berweisen. Der Beklagte konnte daher mit befreiender Wirkung gegen眉ber dem Kl盲ger das Kindergeld auf dieses Konto zahlen, zumal ihm bei der Zahlung nicht bekannt war, dass es sich bei dem neuen vom Kl盲ger benannten Konto nicht um eines des Kl盲gers, sondern um das Konto der Kindesmutter handelte (s. Senatsurteil in BFH/NV 2003, 905). Auf sein Schreiben vom 20. Dezember 1995 kann sich der Kl盲ger insoweit nicht berufen, denn dieses Schreiben befindet sich nicht bei den Kindergeldakten. Das FG ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass dieses Schreiben dem Beklagten nicht zugegangen ist, sodass sich der Kl盲ger gegen眉ber dem R眉ckforderungsanspruch des Beklagten auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht berufen kann (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2002 VIII R 64/00, BFH/NV 2002, 1425).
4. Der Kl盲ger kann sich gegen眉ber dem R眉ckforderungsanspruch des Beklagten gem盲脽 搂 37 Abs. 2 AO 1977 auch nicht darauf berufen, er habe das Kindergeld an die Kindesmutter als vorrangig Berechtigte weitergeleitet. Nach 64.4 Abs. 3 ff. der Dienstanweisung des Bundesamtes f眉r Finanzen (BfF) zur Durchf眉hrung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG) zu 搂 64 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (BStBl I 1996, 723, 768) kann der R眉ckforderungsanspruch gegen眉ber dem nachrangig Berechtigten und der Kindergeldanspruch des vorrangig Berechtigten als erloschen behandelt werden, wenn Letzterer bescheinigt, das Kindergeld durch Weiterleitung erhalten zu haben, und er seinen Anspruch auf Auszahlung von Kindergeld insoweit als erf眉llt anerkennt (vgl. Verf眉gung des BfF vom 30. Juni 1997, BStBl I 1997, 654; erg盲nzende Dienstanweisung zu 64.4 DA-FamEStG im Schreiben des BfF vom 25. August 1997, BStBl I 1997, 797; Neufassung der DA-FamEStG vom 9. April 1998, BStBl I 1998, 386, 441 ff. bzw. vom 15. M盲rz 2002, BStBl I 2002, 366; vgl. auch Schreiben des BfF vom 25. August 1998, BStBl I 1998, 1126 f. zur Best盲tigung des vorrangig Berechtigten - Neuer Anhang 14 zu 64.4 Abs. 4 DA-FamEStG). Der in DA-FamEStG 64.4 Abs. 4 bis 8 vorgesehenen Form hat der Kl盲ger jedoch nicht Gen眉ge getan und auch sonst keine Gr眉nde vorgebracht, die eine Billigkeitsma脽nahme der Verwaltung zu seinen Gunsten rechtfertigen k枚nnten. Weder hat der Kl盲ger die erforderliche schriftliche Best盲tigung der Kindesmutter als vorrangig Berechtigter auf dem vorgeschriebenen amtlichen Vordruck vorgelegt, noch hat diese die Weiterleitung des Kindergeldes best盲tigt und insbesondere auch nicht deutlich gemacht, ihren eigenen Anspruch auf Kindergeld als erf眉llt anzusehen. Zudem hat der Kl盲ger einen solchen Erlassantrag auch nicht gestellt. Wie der Senat bereits mit Urteil in BFH/NV 2002, 1425 dargelegt hat, kann bei dieser Sachlage offen bleiben, ob es sich bei einer auf 64.4 Abs. 3 ff. DA-FamEStG gest眉tzten Entscheidung der Familienkasse um eine erlass盲hnliche Billigkeitsentscheidung der Verwaltung gem盲脽 搂搂 163, 227 AO 1977 handelt, die nur einer eingeschr盲nkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt und die grunds盲tzlich nur auf Ermessensfehler 眉berpr眉ft werden kann, oder ob Gegenstand der Bestimmungen in 64.4 Abs. 3 ff. DA-FamEStG nicht der Erlass einer Billigkeitsma脽nahme, sondern der Abschluss eines sog. Verrechnungsvertrages ist.
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Fundstellen
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BFH/NV 2003, 1404 |
HFR 2003, 1061 |