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Leitsatz (amtlich)
1. Ob eine tarifbeg眉nstigte Betriebsaufgabe und eine Neuer枚ffnung eines anderen Betriebs oder lediglich eine Betriebsverlegung gegeben sind, richtet sich danach, ob nach dem Gesamtbild der Verh盲ltnisse der bisherige und der neue Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtung und nach der Verkehrsauffassung wirtschaftlich identisch sind.
2. Mu脽 ein Lebensmitteleinzelh盲ndler sein bisheriges Ladengesch盲ft schlie脽en und er枚ffnet er an einem mehr als 10 km entfernten Ort ein neues Ladengesch盲ft, so kann eine Betriebsaufgabe auch dann zu bejahen sein, wenn der Warenbestand des bisherigen Gesch盲fts in das neue Gesch盲ft 眉berf眉hrt wurde.
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Normenkette
EStG 搂听16 Abs.听3 S. 1, Abs.听4, 搂听34 Abs.听1, 2 Nr. 1
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Tatbestand
Streitig ist, ob eine Betriebsaufgabe und eine Neuer枚ffnung eines anderen Betriebs an einem anderen Ort oder lediglich eine Betriebsverlegung vorliege und ob demgem盲脽 eine im Zusammenhang mit der Schlie脽ung des bisherigen Gesch盲fts gezahlte Entsch盲digung Bestandteil eines Betriebsaufgabegewinns im Sinne des 搂 16 EStG ist oder zum laufenden Gewinn geh枚rt.
Der Kl盲ger und Revisionskl盲ger (Kl盲ger) betrieb in W in gemieteten R盲umen einen Einzelhandel mit Lebensmitteln und sonstigen Waren. Zu Beginn des Jahres 1966 r盲umte der Kl盲ger die von ihm gemieteten R盲ume in W, weil das Geb盲ude, in dem sich die Betriebsr盲ume befanden, im Zuge einer Stra脽enbauma脽nahme abgerissen werden sollte. Ebenfalls Anfang 1966 er枚ffnete der Kl盲ger in K ein Lebensmitteleinzelhandelsgesch盲ft. Die Betriebe in W und in K bestanden noch etwa einen Monat nebeneinander. Nach der Schlie脽ung des Betriebs in W 眉berf眉hrte der Kl盲ger einen Teil der Wirtschaftsg眉ter, die diesem Betrieb gedient hatten, in den Betrieb in K.
Der Kl盲ger erhielt von der Stra脽enbauverwaltung als Entsch盲digung f眉r die Schlie脽ung seines Gesch盲fts in W im Jahre 1966 einen Betrag von 35 261 DM. Dieser Entsch盲digungsbetrag errechnete sich auf der Grundlage eines Gutachtens der Industrie- und Handelskammer wie folgt:
a) Entsch盲digung f眉r den bei 脺bernahme des Betriebs
im Jahre 1957 entgeltlich erworbenen und unver盲ndert
fortgef眉hrten, jedoch mit der Schlie脽ung des Gesch盲fts
in W untergegangenen Gesch盲ftswert 14 569 DM
b) Entsch盲digung f眉r den Wegfall des bis zum
31. Dezember 1971 fest abgeschlossenen Mietvertrags
眉ber die Gesch盲ftsr盲ume in W 6 956 DM
c) Pauschale f眉r Umzugskosten 3 300 DM
d) Entsch盲digung f眉r den Untergang des Gesch盲fts
in W in H枚he der H盲lfte der Summe aus Ertragswert
und Substanzwert abz眉glich des Wertes der bei der
Neuerrichtung eines Ladens in K zu 眉bernehmenden
Werte, n盲mlich Kraftwagen (Buchwert 2 550 DM),
Warenbestand ohne Textilien (15 270 DM) sowie
Forderungen und Genossenschaftsanteile 10 436 DM
35 261 DM
In seiner Einkommensteuererkl盲rung f眉r 1966
erkl盲rte der Kl盲ger neben einem laufenden Verlust
aus Gewerbebetrieb in H枚he von 2 415 DM einen
steuerpflichtigen Gewinn aus der Aufgabe des Betriebs
in W in H枚he von 691 DM, den er wie folgt errechnete:
Entsch盲digung Regierungskasse 35 261 DM
abz眉glich aktivierter Firmenwerte 14 570 DM
abz眉glich Freibetrag nach 搂 16 Abs. 4 EStG 20 000 DM
691 DM
Den zu versteuernden Einkommensbetrag gab der Kl盲ger danach mit 0 DM an.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) vertrat im Anschlu脽 an eine Betriebspr眉fung hingegen die Auffassung, da脽 keine Betriebsaufgabe, sondern eine Betriebsverlegung vorliege, weil wesentliche Grundlagen des Betriebs wie Warenlager und Inventar in den Betrieb in K 眉bernommen worden seien. Die Entsch盲digung geh枚re deshalb zu den Betriebseinnahmen und erh枚he den laufenden Gewinn 1966.
Das FA erlie脽 am 25. Juni 1969 einen Einkommensteuerbescheid f眉r 1966 auf der Grundlage eines Gewinns aus Gewerbebetrieb in H枚he von 21 697 DM.
Einspruch und Klage waren erfolglos. Das FG vertrat die Auffassung, der Kl盲ger habe seinen Betrieb nicht aufgegeben, sondern lediglich verlegt. Auch eine tarifbeg眉nstigte Entsch盲digung im Sinner der 搂搂 24, 34 Abs. 1 EStG liege nicht vor.
Mit der Revision beantragt der Kl盲ger, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer 1966 auf 0 DM festzusetzen. Der Kl盲ger r眉gt eine Verletzung der 搂搂 16, 34 EStG.
Das FA beantragt, die Revision als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
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Die Revision ist begr眉ndet. Sie f眉hrt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung des FA und des Einkommensteuerbescheids 1966 des FA und zur festsetzung der Einkommensteuer 1966 auf 0 DM.
1. Der Gewinn aus der Ver盲u脽erung des ganzen Gewerbebetriebs wird zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er 20 000 DM 眉bersteigt (搂 16 Abs. 4 EStG). Er unterliegt einem erm盲脽igten Steuersatz (搂 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 EStG). Als Ver盲u脽erung gilt auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs (搂 16 Abs. 3 Satz 1 EStG).
Wie der BFH mehrfach entschieden hat, liegt eine Betriebsaufgabe dann vor, wenn der Betrieb in der Weise als selbst盲ndiger Organismus des Wirtschaftslebens aufgel枚st wird, da脽 die wesentlichen Grundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang ver盲u脽ert oder in das Privatverm枚gen 眉berf眉hrt werden (vgl. z. B. Urteile vom 20. Dezember 1967 I 103/64, BFHE 91, 166, BStBl II 1968, 276; vom 4. November 1965 IV 411/61 U, BFHE 84, 134, BStBl III 1966, 49; vom 23. November 1965 I 145/63, HFR 1966, 207; vom 26. August 1965 IV 92/65, HFR 1966, 115; vom 28. Oktober 1964 IV 102/64 U, BFHE 81, 240, BStBl III 1965, 88).
Hingegen steht es der Annahme einer Betriebsaufgabe nicht entgegen, wenn Wirtschaftsg眉ter, die nicht wesentliche Grundlagen des Betriebs sind, insbesondere Wirtschaftsg眉ter von untergeordneter Bedeutung, weder sofort ver盲u脽ert noch in das Privatverm枚gen 眉berf眉hrt, sondern vielmehr als Betriebsverm枚gen zur眉ckbehalten und erst sp盲ter gewerblich verwertet werden (vgl. z. B. BFH-Urteile IV 102/64 U; vom 26. September 1961 I 5/61 U, BFHE 73, 689, BStBl III 1961, 517).
a) Wird ein Betrieb stillgelegt und in zeitlichem Zusammenhang damit an anderer Stelle ein Betrieb er枚ffnet, so scheitert die Annahme einer Betriebsaufgabe hinsichtlich des bisherigen Betriebs nicht schon daran, da脽 im Zeitpunkt der Stillegung dieses Betriebs feststeht, der Betriebsinhaber werde sich auch weiterhin in bestimmter Weise gewerblich bet盲tigen. Der BFH hat zwar mit Urteil I 145/63 ausgesprochen, von der Verlegung des Betriebssitzes unterscheide sich die Aufgabe des Betriebs dadurch, da脽 bei dieser im Zeitpunkt der Einstellung des Betriebs ungewi脽 sei, ob 眉berhaupt, wann, in welcher Form, in welchem Umfang und in welcher Art es m枚glich sein werde, wieder einen Betrieb zu er枚ffnen (s. auch Urteil des RFH vom 11. Oktober 1934 VI A 1331/32, RStBl 1935, 613). Diese Ausf眉hrungen besagen jedoch nur, da脽 die genannten Umst盲nde die Annahme einer Betriebsaufgabe nahelegen, nicht hingegen umgekehrt, da脽 ihr Fehlen die Annahme einer Betriebsaufgabe schlechthin ausschlie脽t.
Ma脽geblich f眉r die Entscheidung der Frage, ob eine Betriebsaufgabe und eine Neuer枚ffnung eines anderen Betriebs oder eine Betriebsverlegung gegeben sind, mu脽 vielmehr sein, ob sich nach dem Gesamtbild der Verh盲ltnisse der alte und der neue Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtung und unter Ber眉cksichtigung der Verkehrsauffassung als wirtschaftlich identisch darstellen. Dabei wird von der Zwecksetzung des 搂 16 EStG her gesehen, die geballte Realisierung m枚glichst aller stiller Reserven steuerlich zu beg眉nstigen, diese Identit盲t regelm盲脽ig dann zu bejahen und demgem盲脽 eine Betriebsaufgabe im Sinne des 搂 16 EStG zu verneinen sein, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen, insbesondere Wirtschaftsg眉ter mit erheblichen stillen Reserven ohne Realisierung dieser Reserven in den neuen Betrieb 眉berf眉hrt werden und deshalb der auf diese Weise ermittelte Betriebsaufgabegewinn wesentlich niedriger ist als ein Gewinn, der bei der Ver盲u脽erung des ganzen Gewerbebetriebs einschlie脽lich der in den neuen Betrieb 眉berf眉hrten Wirtschaftsg眉ter entstanden w盲re.
b) Zu den wesentlichen Grundlagen eines Betriebs geh枚ren im allgemeinen die Betriebsr盲ume, der (bisherige) betriebliche Wirkungskreis (Bet盲tigungsfeld und Kundschaft) und auch der Warenbestand.
Was den Warenbestand anlangt, so kann dieser jedoch nicht ausnahmslos zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebs, so wie dieses Kriterium bei Anwendung des 搂 16 EStG zu verstehen ist, gerechnet werden. Ma脽gebend sind vielmehr die Umst盲nde des Einzelfalles. Zwar kann ein gewerbliches Unternehmen, insbesondere ein Handelsunternehmen, naturgem盲脽 ohne entsprechenden Warenbestand nicht existieren. Gleichwohl ist der konkret vorhandene Warenbestand eines Unternehmens dann nicht wesentliche Grundlage des Unternehmens, wenn er, wie dies z. B. bei einem Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen meist der Fall sein wird, in seiner konkreten Zusammensetzung jederzeit wieder kurzfristig beschaffbar ist, sofern nur das daf眉r ben枚tigte Kapital zur Verf眉gung steht. In diesem Fall erscheint nicht der konkret vorhandene Warenbestand, sondern vielmehr das darin gebundene Kapital als wesentliche Betriebsgrundlage. Demgem盲脽 wird der Warenbestand z. B. eines Lebensmitteleinzelhandelsunternehmens im allgemeinen auch keine nennenswerten stillen Reserven enthalten, sofern man diese, wie dies nach der Zwecksetzung des 搂 16 EStG geboten ist, als Differenz zwischen dem Teilwert (Wiederbeschaffungskosten) und dem Buchwert, und nicht etwa als Differenz zwischen dem Einzelver盲u脽erungspreis und dem Buchwert versteht.
2. Geht man von diesen Rechtsgrunds盲tzen aus, so ist im Streitfall entgegen der Auffassung der Vorentscheidung eine Betriebsaufgabe im Sinne des 搂 16 Abs. 3 Satz 1 EStG zu bejahen; demgem盲脽 ist die Entsch盲digungssumme nicht Bestandteil des laufenden Gewinns des Kl盲gers, sondern eines Betriebsaufgabegewinns.
a) Der Betrieb in W und der Betrieb in K stellen sich bei wirtschaftlicher Betrachtung und unter Ber眉cksichtigung der Verkehrsauffassung nicht als wirtschaftlich identisch dar. Gegen eine wirtschaftliche Identit盲t spricht entscheidend, da脽 f眉r ein Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen anders als vielleicht f眉r ein Fabrikationsunternehmen die Lage der Gesch盲ftsr盲ume, der dadurch bedingte 枚rtliche Wirkungskreis und die davon wiederum bestimmte Kundschaft im Verh盲ltnis zu den 眉brigen dem Betrieb dienenden Wirtschaftsg眉tern besondere Bedeutung haben und da脽 diese Grundlagen des gewerblichen Unternehmens des Kl盲gers zweifelsfrei verlorengegangen sind, weil der Kl盲ger das neue Gesch盲ft nicht in der N盲he seiner bisherigen Gesch盲ftsr盲ume, sondern in einem immerhin mehr als 10 Kilometer entfernten Ort er枚ffnet hat.
b) Eine wirtschaftliche Identit盲t der beiden Betriebe ist nicht schon deshalb zu bejahen, weil der Kl盲ger seinen Warenbestand vom Gesch盲ft in W in das Gesch盲ft in K 眉berf眉hrt hat. Es sind keine Anhaltspunkte daf眉r vorhanden, da脽 entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung der Warenbestand im Streitfall erhebliche stille Reserven enthielt oder nach seiner Zusammensetzung nicht kurzfristig wieder beschaffbar war. Offensichtlich hat der Kl盲ger den Warenbestand nur deshalb mitgenommen, weil er im Hinblick darauf, da脽 die bisherigen Gesch盲ftsr盲ume abgerissen wurden, das Warenlager gar nicht im ganzen (zusammen mit dem Inventar) an einen Gesch盲ftsnachfolger ver盲u脽ern konnte.
c) Auch der Umstand, da脽 nach den Feststellungen des FG der Kl盲ger das Inventar des Gesch盲fts in W in die neuen Gesch盲ftsr盲ume in K 眉berf眉hrt und dort f眉r betriebliche Zwecke eingesetzt hat, zwingt nicht zur Annahme einer wirtschaftlichen Identit盲t des Gesch盲fts in K mit dem Gesch盲ft in W und damit zur Verneinung einer Betriebsaufgabe. Der Buchwert des Inventars betrug in der Bilanz zum 31. Dezember 1965 3 951 DM und damit nur 1/10 der Bilanzsumme von 39 467 DM. Auf die H枚he der im Buchwert enthaltenen stillen Reserven kann es im Streitfall bei der Entscheidung der Frage, ob es der Annahme einer Betriebsaufgabe entgegensteht, da脽 das Inventar weder ver盲u脽ert noch in das Privatverm枚gen 眉berf眉hrt wurde, ausnahmsweise nicht ankommen. Der Streitfall weist die von der Zwecksetzung des 搂 16 EStG her gesehen wichtige Besonderheit auf, da脽 der Kl盲ger im Zusammenhang mit der Schlie脽ung des Gesch盲fts in W eine Entsch盲digung erhalten hat, die auf der Grundlage errechnet ist, da脽 das Inventar einen um 7 811 DM h枚heren Wert als den Buchwert hat und mit der Schlie脽ung des Gesch盲fts in W voraussichtlich insgesamt f眉r den Kl盲ger wertlos wird. Mit dem Ansatz der Entsch盲digungssumme als Betriebseinnahme oder als Bestandteil eines steuerpflichtigen Betriebsaufgabegewinns sind somit die im Buchwert des Inventars enthaltenen stillen Reserven aufgedeckt und steuerlich erfa脽t. Der wirtschaftliche Kern des Sachverhalts ist nicht anders, als wenn der Kl盲ger das Inventar zum gemeinen Wert z. B. an die Stra脽enbauverwaltung ver盲u脽ert h盲tte und f眉r das Gesch盲ft in K gleichartige (gebrauchte) Inventarst眉cke zu einem Preis erworben h盲tte, der dem Buchwert dieser Inventarst眉cke entspricht.
Es kann deshalb auf sich beruhen, ob die tats盲chliche Feststellung des FG, der Kl盲ger habe das Inventar in das Gesch盲ft in K. 眉berf眉hrt, nicht insofern widerspr眉chlich ist, als das FG gleichzeitig feststellt, da脽 das Gesch盲ft in K bereits er枚ffnet gewesen sei, als das Gesch盲ft in W noch bestand. Es ist n盲mlich nicht anzunehmen, da脽 das Gesch盲ft in K ohne Gesch盲ftseinrichtung betrieben wurde. Das Inventar des Gesch盲fts in W kann also mindestens f眉r den Betrieb des Gesch盲fts in K nicht wesentlich gewesen sein.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 71957 |
BStBl II 1976, 672 |
BFHE 1977, 430 |