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Leitsatz (amtlich)
1. Erstattet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Lohnsteuer-Jahresausgleich eine zu hohe Lohnsteuer, so hat er den Arbeitslohn nicht vorschriftsm盲脽ig gek眉rzt (搂 38 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EStG 1969). Das Finanzamt kann die Lohnsteuer beim Arbeitnehmer nachfordern, auch wenn dieser das vorschriftswidrige Verhalten des Arbeitgebers nicht gekannt hat und nicht erkennen mu脽te.
2. Im Falle der Ziff. 1 kann der Arbeitnehmer der Inanspruchnahme durch das Finanzamt nicht den Einwand entgegenhalten, da脽 zuvor der Arbeitgeber in Anspruch genommen werden m眉sse oder da脽 er nicht mehr bereichert sei.
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Normenkette
EStG 1969 搂 38 Abs. 3; LStDV 搂 46 Abs. 2 Nr. 1; StAnpG 搂 7 Abs. 1; BGB 搂 812 ff.
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Tatbestand
Die Bez眉ge des Kl盲gers und Revisionsbeklagten (Kl盲ger), der Polizeibeamter des Landes Nordrhein-Westialen ist, werden vom Landesamt f眉r Besoldung und Versorgung ausgezahlt. Dieses erstattete dem Kl盲ger beim Lohnsteuer-Jahresausgleich 1970 statt der auf der Lohnsteuerkarte bescheinigten Erstattung von 214,20 DM an Lohnsteuer und 21,42 DM an Kirchensteuer versehentlich die gesamte im Jahre 1970 einbehaltene Lohnsteuer von 1718,20 DM und Kirchensteuer von 171,82 DM. Der Beklagte und Revisionskl盲ger (FA) wies den Antrag des Kl盲gers auf Durchf眉hrung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs zur眉ck und forderte von ihm unter Ber眉cksichtigung der in seinem Antrag auf Durchf眉hrung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs geltend gemachten Werbungskosten, Sonderausgaben und au脽ergew枚hnlichen Belastungen f眉r 1970 Lohnsteuer von 1 584 DM sowie Kirchensteuer von 158,40 DM nach.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage gegen den Nachforderungsbescheid hatte Erfolg. Das FG hob Bescheid und Einspruchsentscheidung auf. Es f眉hrte u. a. aus: In F盲llen des 搂 38 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EStG 1969 (搂 46 Abs. 2 Nr. 1 LStDV), in denen der Arbeitslohn nicht vorschriftsm盲脽ig gek眉rzt worden sei, k枚nne sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer in Anspruch genommen werden. Bei seiner Wahl d眉rfe das FA jedoch nicht willk眉rlich verfahren. Gehe man davon aus, da脽 in diesen F盲llen die Inanspruchnahme des Arbeitgebers als Haitenden an erster Stelle stehe, so sei nicht ersichtlich, aus welchen Gr眉nden das FA den Kl盲ger unmittelbar zur Nachzahlung aufgefordert habe. Dies gelte um so mehr, als dem Kl盲ger durch zweimalige Zusage seitens des Landesamtes die Ordnungsm盲脽igkeit der Erstattung best盲tigt worden sei. Der Kl盲ger habe den Erstattungsbetrag m枚glicherweise in gutem Glauben anderweitig verbraucht. Bei dieser Sachlage sei es unbillig gewesen, ihn in Anspruch zu nehmen. Das FA habe auch nicht gepr眉ft, ob nicht von einer Nachforderung schon deshalb h盲tte abgesehen werden m眉ssen, weil das Landesamt den Lohnsteuer-Jahresausgleich unrichtig durchgef眉hrt und damit gegen seine Verpflichtung zur ordnungsm盲脽igen Einbehaltung und Abf眉hrung der Lohnsteuer versto脽en habe. Zweckm盲脽igkeitsgr眉nde spr盲chen daf眉r, in einem solchen nicht allt盲glichen Fall der v枚lligen Erstattung der Jahreslohnsteuer sich direkt an den Arbeitgeber zu halten. Daf眉r spreche weiter, da脽 der Betrag nur schwerlich vom Kl盲ger wieder hereinzuholen sei. Das FA habe auch nicht ber眉cksichtigt, da脽 der Kl盲ger den Erstattungsbetrag verbraucht habe und da脽 er sich bei einer eventuellen Nachforderung seitens seines Arbeitgebers m枚glicherweise auf den Wegfall der Bereicherung h盲tte berufen k枚nnen. Durch die unmittelbare Inanspruchnahme schneide das FA ihm diese Einrede ab.
Mit der Revision r眉gt das FA unrichtige Auslegung des 搂 38 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EStG 1969.
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贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别
Die Revision des FA ist begr眉ndet und f眉hrt zur Abweisung der Klage.
In 搂 38 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EStG 1969 (搂 46 Abs. 2 Nr. 1 LStDV) ist vorgeschrieben, da脽 der Arbeitnehmer als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitslohn nicht vorschriftsm盲脽ig gek眉rzt hat. Im Streitfall hat das Landesamt zwar die Lohnsteuer des Kl盲gers vorschriftsm盲脽ig einbehalten, es hat aber im Lohnsteuer-Jahresausgleich eine den Vorschriften widersprechende Erstattung vorgenommen. Dieser Vorgang ist einer nicht vorschriftsm盲脽igen K眉rzung des Arbeitslohns gleichzustellen. Denn die bei der Lohnzahlung zun盲chst ordnungsm盲脽ig vorgenommene K眉rzung des Arbeitslohns ist durch die Erstattung wieder r眉ckg盲ngig gemacht worden.
Die Vorschrift des 搂 38 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EStG macht die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers nicht davon abh盲ngig, da脽 diesem die nicht vorschriftsm盲脽ige K眉rzung des Arbeitslohns bekannt war. Die Regelung weicht in diesem Punkte von der Regelung der Nr. 2 ab, die sich nicht mit der Einbehaltung, sondern mit der Abf眉hrung der Lohnsteuer befa脽t und bei vorschriftsm盲脽iger Einbehaltung, aber Nichtabf眉hrung der Lohnsteuer eine Inanspruchnahme des Arbeitnehmers dann zul盲脽t, wenn dieser von der Nichtabf眉hrung gewu脽t und dies dem FA nicht unverz眉glich mitgeteilt hat. Diese Regelung l盲脽t eindeutig erkennen, da脽 die Kenntnis des Arbeitnehmers nur bei der Nichtabf眉hrung der Lohnsteuer Bedeutung haben soll, nicht aber bei der nicht vorschriftsm盲脽igen K眉rzung. Da im Streitfall die Lohnsteuer nicht ordnungsgem盲脽 gek眉rzt worden ist, kommt demnach dem Einwand des Kl盲gers, da脽 er dies weder gewu脽t habe noch habe erkennen k枚nnen, keine rechtliche Bedeutung zu.
Das FG beruft sich zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nach der das FA beim Bestehen eines Gesamtschuldverh盲ltnisses die Wahl, an welchen Gesamtschuldner es sich halten will, nicht willk眉rlich aus眉ben darf. Diese Rechtsprechung ist zu der Frage entwickelt worden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers als lediglich Haftendem vor dem Arbeitnehmer als dem eigentlichen Steuerschuldner ausgeschlossen sein kann (vgl. die Darstellung im Kommentar zum Einkommensteuergesetz von Bl眉mich-Falk-Uelner, 10. Aufl., 1972, 搂 38 Anm. 7). Die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers wird durch diese Rechtsprechung nicht ber眉hrt. Eine Beschr盲nkung der Inanspruchnahme des Arbeitnehmers als Steuerschuldner kann sich hieraus also nicht ergeben. Dieses Ergebnis wird durch die Bestimmungen in 搂 38 Abs. 3 EStG 1969 best盲tigt. Dort wird das Verh盲ltnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Weise geregelt, da脽 der Arbeitnehmer als Schuldner der Lohnsteuer bezeichnet und da脽 dar眉ber hinaus vorgeschrieben wird, da脽 der Arbeitgeber f眉r die Einbehaltung und Abf眉hrung der Lohnsteuer haftet. Das sich hieraus nach 搂 7 Abs. 1 StAnpG ergebende Gesamtschuldverh盲ltnis, das an sich das FA zur Inanspruchnahme eines jeden der Gesamtschuldner berechtigt, wird dann durch 搂 38 Abs. 3 Satz 3 EStG eingeschr盲nkt. Es wird vorgeschrieben, da脽 der Arbeitnehmer nur unter bestimmten Voraussetzungen in Anspruch genommen werden darf. Ob diese Regelung dahin zu verstehen ist, da脽 der Arbeitnehmer als Steuerschuldner unter anderen als den dort aufgef眉hrten Voraussetzungen 眉berhaupt nicht mehr in Anspruch genommen werden darf, kann hier dahinstehen. Jedenfalls kann aber der Einwand, da脽 eine Inanspruchnahme des Arbeitnehmers unzul盲ssig sei, dann nicht erhoben werden, wenn die f眉r seine Inanspruchnahme gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen (nach 搂 38 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EStG also die nichtordnungsgem盲脽e K眉rzung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber) erf眉llt sind.
Dem Nachforderungsanspruch des FA kann der Kl盲ger den Einwand des Wegfalls der Bereicherung nicht entgegensetzen. Der Senat hat in seinem Urteil vom 1. M盲rz 1974 VI R 253/70 (BFHE 111, 457, BStBl II 1974, 369) dargelegt, da脽 die Bestimmungen der 搂搂 812 ff. BGB im Steuerrecht nicht anwendbar sind. Hieran wird festgehalten. Diese Grunds盲tze schlie脽en es auch aus, der 脺berlegung des FG eine Bedeutung beizumessen, da脽 durch die vorrangige Inanspruchnahme des Kl盲gers diesem der Einwand des Wegfalls der Bereicherung gegen眉ber dem Landesamt abgeschnitten werden k枚nnte.
Der Nachforderungsanspruch des FA besteht hiernach zu Recht. Die Klage ist entscheidungsreif, da der Kl盲ger Einwendungen gegen die H枚he des R眉ckforderungsanspruchs nicht erhoben hat.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 71342 |
BStBl II 1975, 420 |
BFHE 1975, 49 |