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Leitsatz (amtlich)
1. Ob eine f眉r st盲ndig wechselnde Einsatzstellen berufstypische T盲tigkeit vorliegt, bestimmt sich nicht nach abstrakten Berufsbildern, sondern nach der mutma脽lichen Verwendung des Arbeitnehmers im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers (Anschlu脽 an BFH-Urteil vom 11.Juli 1980 VI R 198/77, BFHE 131, 64, BStBl II 1980, 654).
2. Auch bei einem auf st盲ndig wechselnden Einsatzstellen besch盲ftigten Arbeitnehmer sind Aufwendungen f眉r Fahrten zu Arbeitsst盲tten, die im 眉blichen Arbeitsplatzeinzugsbereich seiner Wohnung liegen, nur mit den Pauschs盲tzen des 搂 9 Abs.1 Nr.4 Satz 2 EStG als Werbungskosten zu ber眉cksichtigen.
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Normenkette
EStG 1981 搂 9 Abs.听1 Nr. 4, Abs.听1 S. 3 Nr. 4
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Verfahrensgang
Nieders盲chsisches FG (Entscheidung vom 02.10.1985; Aktenzeichen IX 165/83) |
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Tatbestand
Die Kl盲ger und Revisionsbeklagten (Kl盲ger), die beide berufst盲tig waren, wurden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann war im Streitjahr 1981 als Mitarbeiter der sog. Betriebsreserve eines Bankinstituts im Filialbereich H besch盲ftigt. Zum Filialbereich geh枚ren die Filialen der St盲dte A, B, C, D, E und H einschlie脽lich der Zweigstellen F und G. Mitarbeiter der Betriebsreserve haben bei Personalengp盲ssen infolge Krankheit, Urlaub oder unvorhersehbaren Arbeitsanfalls auszuhelfen. F眉r sie wird ein 眉berschl盲giger Einsatzplan erstellt, der --kurzfristigen betrieblichen Bed眉rfnissen entsprechend-- 脛nderungen unterworfen ist. Der Kl盲ger wurde nach seiner Ausbildung im April 1979 als Schaltermitarbeiter angestellt und ist seit Mai 1980 mit dem Ziel einer h枚heren tariflichen Einstufung bei der Betriebsreserve t盲tig.
In der Einkommensteuererkl盲rung 1981 machte der Kl盲ger Fahrtaufwendungen in H枚he von (13 993 km zu 0,72 DM abz眉glich steuerfreier Erstattung von 1 155,40 DM =) 8 919,56 DM und Verpflegungsmehraufwendungen wegen mehr als zehnst眉ndiger Abwesenheit von der Wohnung in H枚he von (232 Tage zu 5 DM =) 1 160 DM als Werbungskosten geltend. Davon ber眉cksichtigte der Beklagte und Revisionskl盲ger (das Finanzamt --FA--) im Einkommensteuerbescheid vom 8.November 1982 lediglich (13 993 km zu 0,36 DM minus 1 155,40 DM =) 3 882 DM.
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit den in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 118 wiedergegebenen Gr眉nden statt.
Mit der Revision r眉gt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Die Fahrten des Kl盲gers h盲tten keinen dienstreise盲hnlichen Charakter gehabt, da ihnen weder hinsichtlich des Ortes noch der Zeit der Reiset盲tigkeit etwas Unvorhersehbares angehaftet habe. Im Dienstvertrag des Kl盲gers sei die Versetzung an einen anderen zumutbaren Arbeitsplatz oder T盲tigkeitsort vorgesehen gewesen. Da er Mitglied der Betriebsreserve gewesen sei, habe von vornherein der Einsatz in dem Filialbereich als solcher, dar眉ber hinaus aber auch eine gewisse Zeit vorher der konkrete Einsatzort und die Einsatzdauer festgestanden. Tats盲chlich sei der Kl盲ger nur an drei verschiedenen Orten eingesetzt gewesen, wobei der Einsatz im Regelfall mehrere Wochen gedauert habe. Anders als bei Bau- oder Montagearbeitern habe sich der Kl盲ger auf die wechselnden Einsatzstellen einrichten k枚nnen. Er sei nach einer gewissen Zeit ortskundig geworden und habe g眉nstige Verkehrsverbindungen und preiswerte Bek枚stigungsm枚glichkeiten kennengelernt. Die Einsatzorte A, H und F h盲tten ebenso wie der Wohnort der Kl盲ger verkehrsg眉nstig an einer vielbefahrenen Bundesbahnstrecke gelegen. Da脽 die Kl盲ger ihren Wohnsitz nicht in die N盲he der jeweiligen T盲tigkeitsst盲tte h盲tten legen k枚nnen, sei --wie im Falle des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2.November 1984 VI R 38/83 (BFHE 142, 389, BStBl II 1985, 139)-- unbeachtlich. Der Streitfall sei vielmehr wie der Sachverhalt im BFH-Urteil vom 2.November 1984 VI R 143/83 (BFHE 143, 20, BStBl II 1985, 266) zu entscheiden. Der Einsatz des Kl盲gers auf wechselnden Einsatzstellen sei auch nicht berufstypisch gewesen, da der st盲ndige Wechsel dem Berufsbild eines Bankkaufmanns widerspreche und auch Mitarbeiter der Betriebsreserve nicht damit zu rechnen h盲tten, an anderen als den bisherigen bezirksm盲脽ig abgegrenzten Einsatzstellen t盲tig zu werden. Dabei sei der jeweilige Einsatzort --von den F盲llen einer Krankheitsvertretung abgesehen-- vorhersehbar gewesen.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Kl盲ger beantragen, die Revision zur眉ckzuweisen.
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Die Revision ist begr眉ndet. Sie f眉hrt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zur眉ckverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Der Kl盲ger war an sog. st盲ndig wechselnden Einsatzstellen besch盲ftigt. Die an Fahrten zu derartigen Einsatzstellen gekn眉pften Rechtsfolgen greifen indessen hinsichtlich derjenigen Fahrten nicht ein, die im 眉blichen Arbeitsplatzeinzugsbereich der Wohnung des Kl盲gers lagen.
1. Seit den Entscheidungen des BFH in seinen Urteilen vom 5.November 1971 VI R 184/69 (BFHE 103, 493, BStBl II 1972, 130) und VI R 207/68 (BFHE 103, 472, BStBl II 1972, 137) wendet der BFH und ihm folgend die Finanzverwaltung (Abschn.24 Abs.4 Nr.3 der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR--) auf Fahrten zwischen der Wohnung und sog. st盲ndig wechselnden Einsatzstellen die Einschr盲nkungen des Werbungskostenabzugs durch 搂 9 Abs.1 Nr.4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht an, weil sie einen Typus von Fahrten betreffen, der von dieser Vorschrift nach ihrem Zweck nicht erfa脽t werden sollte.
a) Fahrten zu sog. st盲ndig wechselnden Einsatzstellen werden von der Rechtsprechung als dienstreise盲hnlich gekennzeichnet (BFH-Urteile vom 31.Oktober 1973 VI R 98/73, BFHE 111, 76, BStBl II 1974, 258; vom 14.Juli 1978 VI R 179/76, BFHE 125, 555, BStBl II 1978, 660, und BFHE 142, 389, BStBl II 1985, 139). Entgegen der Ansicht des FA kann das den Charakter der Fahrten zu sog. st盲ndig wechselnden Einsatzstellen nicht definierende, sondern lediglich umschreibende Merkmal der Dienstreise盲hnlichkeit indessen nicht dahin verstanden werden, da脽 die Pauschbetr盲ge des 搂 9 Abs.1 Nr.4 EStG trotz st盲ndigen Arbeitsplatzwechsels immer dann anzuwenden sind, wenn dem betreffenden Arbeitnehmer die in Betracht kommenden Orte, an denen er seine Arbeitsleistung zu erbringen hat, bekannt sind. Auch die steuerliche Behandlung von Dienstreisen 盲ndert sich nicht, wenn Reisenden aufgrund detaillierter Planung lange vor Reiseantritt die n盲heren Umst盲nde ausw盲rtiger T盲tigkeit bekannt sind. Ma脽gebend f眉r die von Fahrten zwischen Wohnung und fester Arbeitsst盲tte abweichende Behandlung der Fahrten zu sog. st盲ndig wechselnden Einsatzstellen ist vielmehr der Umstand, da脽 der Arbeitnehmer --wie bei Dienstreisen-- nicht laufend zur gleichen Arbeitsst盲tte f盲hrt und deshalb nicht die M枚glichkeit hat, durch eine entsprechende Wohnsitznahme selbst die H枚he seiner Fahrtaufwendungen zu bestimmen (BFHE 111, 76, BStBl II 1974, 258, und BFH-Urteil vom 11.Juli 1980 VI R 198/77, BFHE 131, 64, BStBl II 1980, 654). Die besondere Behandlung von Arbeitnehmern mit sog. st盲ndig wechselnden Einsatzstellen beruht nicht auf der Unvorhersehbarkeit des Wechsels oder des Einsatzortes, sondern darauf, da脽 sich der Arbeitnehmer dem st盲ndigen Wechsel nicht entziehen kann. Die jeweils besonders weiten Fahrten entstehen nicht deshalb, weil der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz --aus welchen privaten Erw盲gungen auch immer-- nicht in der N盲he seines Arbeitsortes gew盲hlt hat, sondern vielmehr, weil der Arbeitsort st盲ndig wechselt. Bereits dadurch 盲hneln derartige Fahrten Dienstreisen.
b) Weiterhin ist f眉r Arbeitnehmer mit sog. st盲ndig wechselnden Einsatzstellen kennzeichnend, da脽 sie einen Beruf aus眉ben, bei dem ein solcher st盲ndiger Wechsel typisch ist (BFHE 131, 64, BStBl II 1980, 654). Da es indessen nicht darum geht, ein Sonderrecht f眉r bestimmte Berufsgruppen zu schaffen, ist nicht auf die abstrakten Merkmale eines bestimmten Berufsbildes abzustellen, sondern darauf, ob der Arbeitnehmer des konkreten zu beurteilenden Dienstverh盲ltnisses nach dem Direktionsrecht seines Arbeitgebers aller Voraussicht nach damit rechnen mu脽, da脽 er seine Arbeitsleistung an immer wieder anderen Arbeitsst盲tten zu erbringen hat. Der Berufstyp als solcher kann schon deshalb nicht allein entscheidend sein, weil einerseits Arbeitnehmer mit Berufen, bei denen der Einsatz an wechselnden Arbeitsstellen h盲ufig vorkommt, auf Dauer nur an einer Arbeitsstelle besch盲ftigt sein k枚nnen und andererseits Angeh枚rige von Berufen, die 眉blicherweise an einem unver盲nderten Arbeitsplatz ausge眉bt werden, an st盲ndig wechselnden Einsatzstellen besch盲ftigt sein k枚nnen. Mithin kommt es nicht auf Berufsbilder, sondern darauf an, ob der jeweilige Arbeitnehmer aufgrund seiner individuellen Berufssituation sich auf Fahrten zu immer wieder neuen Arbeitsst盲tten einzustellen hat, die er nicht durch eine entsprechende Wohnsitznahme vermeiden kann.
c) Schlie脽lich setzt die Annahme sog. st盲ndig wechselnder Einsatzstellen voraus, da脽 die der Vorschrift des 搂 9 Abs.1 Nr.4 EStG zugrunde liegende 脺berlegung des Gesetzgebers, eine Entlastung des Stra脽enverkehrs in Ballungsgebieten zu erreichen, nicht zum Tragen kommen kann (BFHE 142, 389, BStBl II 1985, 139). U.a. aufgrund dieses Erfordernisses sind auch Fahrten zu immer wieder neuen Einsatzstellen der Regelbehandlung des 搂 9 Abs.1 Nr.4 EStG zu unterwerfen, wenn sich die Einsatzstellen innerhalb eines abgegrenzten, in sich geschlossenen, nicht weit auseinandergezogenen und 眉berschaubaren Gebietes befinden. Dieses Erfordernis besagt --wie auch bei Dienstreisen-- indessen nicht, da脽 die besuchten Einsatzstellen nicht durch 枚ffentliche Verkehrsmittel bequem erreichbar sein d眉rfen. Erstrecken sich die Einsatzstellen auf ein weitr盲umiges Gebiet, werden verkehrspolitische Erw盲gungen, eine Verlagerung des st盲dtischen Verkehrs vom Individualverkehr auf 枚ffentliche Verkehrsmittel zu erreichen, nicht ber眉hrt. Ebenso wie umgekehrt das Fehlen zumutbarer 枚ffentlicher Verkehrsverbindungen die Vorschrift des 搂 9 Abs.1 Nr.4 EStG auf Fahrten zwischen Wohnung und st盲ndiger Arbeitsst盲tte nicht unanwendbar macht, ist ihre Anwendung auf weitreichende Fahrten zu sog. st盲ndig wechselnden Einsatzstellen nicht schon deshalb geboten, weil ein Ausweichen auf 枚ffentliche Verkehrsmittel m枚glich bzw. zumutbar ist.
d) Das FG hat im Streitfall zutreffend entschieden, da脽 f眉r den Kl盲ger als Mitglied der Betriebsreserve sein Einsatz auf wechselnden Arbeitsstellen berufstypisch war und da脽 bei dem weitreichenden Einzugsbereich, innerhalb dessen ein Einsatz des Kl盲gers vorgesehen war und stattfand, die Annahme von Fahrten zu sog. st盲ndig wechselnden Einsatzstellen grunds盲tzlich zu bejahen war. Dieser Annahme stand nach den oben dargelegten Grunds盲tzen nicht entgegen, da脽 dem Kl盲ger --von Ausnahmen abgesehen-- Einsatzort und Dauer eine gewisse Zeit vor Antritt der jeweiligen Einsatzstelle bekannt war, noch kam es darauf an, ob ihm zum Erreichen des Arbeitsplatzes 枚ffentliche Verkehrsmittel zur Verf眉gung standen.
2. Nach der neueren Rechtsprechung des BFH ist bei wechselnden Einsatzstellen f眉r eine Rechtsfortbildung des 搂 9 Abs.1 Nr.4 EStG im Wege der L眉ckenausf眉llung dann kein Raum, wenn sich dadurch gegen眉ber Arbeitnehmern mit einer festen Arbeitsst盲tte ungerechtfertigte Vorteile ergeben w眉rden. Die Einschr盲nkung wurde in den F盲llen vorgenommen, in denen die Einsatzstellen innerhalb eines eng abgegrenzten Gebietes lagen und damit nur die Bew盲ltigung einer Entfernung erforderten, die auch von einer gro脽en Zahl der zu festen Arbeitsstellen fahrenden Arbeitnehmern arbeitst盲glich zur眉ckgelegt wird (BFH-Urteile vom 19.Februar 1982 VI R 61/79, BFHE 138, 175, BStBl II 1983, 466; in BFHE 142, 389, BStBl II 1985, 139, und vom 10.Mai 1985 VI R 157/81, BFHE 144, 46, BStBl II 1985, 595). An dieser aus Gr眉nden der steuerlichen Gleichbehandlung entwickelten Rechtsprechung h盲lt der Senat fest.
a) Die besagte Einschr盲nkung kommt nicht nur in F盲llen zum Tragen, in denen alle Einsatzstellen innerhalb eines eng begrenzten Einzugsgebietes liegen, sondern auch hinsichtlich der Fahrten zu einzelnen innerhalb dieses Einzugsgebietes befindlichen Einsatzstellen (Abschn.24 Abs.4 Nr.3 Satz 5 LStR 1987). Denn nur hinsichtlich der 眉brigen Fahrten ist es sachlich gerechtfertigt, da脽 die Beschr盲nkung des Werbungskostenabzugs nach 搂 9 Abs.1 Nr.4 Satz 2 EStG nicht eingreift, weil auch nur sie einen Typus von Fahrten betreffen, der nach dem Zweck der Vorschrift nicht erfa脽t werden sollte. Demgegen眉ber ist bei Fahrten mit einer Entfernung, die auch von einer gro脽en Anzahl der zu festen Arbeitsst盲tten fahrenden Arbeitnehmer arbeitst盲glich zur眉ckgelegt zu werden pflegt, eine Gleichbehandlung mit diesen Steuerpflichtigen geboten.
b) Nach den Feststellungen des FG hat die Entfernung zwischen Wohnung und Einsatzstelle in Einzelf盲llen lediglich 15 km betragen. F眉r derartige Fahrten stand dem Kl盲ger die vom FG gew盲hrte steuerliche Besserstellung nicht zu, da sie im 眉blichen Arbeitsplatzeinzugsbereich der Wohnung des Kl盲gers lagen. Hinsichtlich der restlichen Fahrten beruft sich das FA zu Unrecht auf die Urteile in BFHE 142, 389, BStBl II 1985, 139, und BFHE 143, 20, BStBl II 1985, 266, weil auch sie nur Sachverhalte mit 枚rtlich eng begrenztem 眉berschaubarem Arbeitsbereich betrafen. Das FG wird nunmehr festzustellen haben, in welchem Umfang der Kl盲ger in diesem Bereich t盲tig gewesen ist.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 61970 |
BStBl II 1988, 443 |
BFHE 152, 232 |
BFHE 1988, 232 |
BB 1988, 1307-1307 (L1-2) |
HFR 1988, 339 (LT1-2) |