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Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des 搂 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO 1977 ist nicht mehr anwendbar, wenn die 脛nderung nach 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 bereits bestandskr盲ftig geworden ist.
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Normenkette
AO 1977 搂 173 Abs. 1 Nrn.听1-2
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Der Kl盲ger und Revisionsbeklagte (Kl盲ger) ist hauptberuflich als angestellter Krankenhausarzt und nebenberuflich als Entnahmearzt f眉r den Blutspendedienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) t盲tig. Das DRK behielt von den an den Kl盲ger gezahlten Verg眉tungen Lohnsteuerabzugsbetr盲ge ein, die es an das Finanzamt (FA) abf眉hrte. Dem DRK lag eine Lohnsteuerkarte des Kl盲gers nicht vor. Auch erteilte es diesem keine Lohnsteuerbescheinigung nach 搂 41 b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Kl盲ger gab in seinen Einkommensteuererkl盲rungen f眉r die Streitjahre 1973 bis 1977 die vom DRK gezahlten Verg眉tungen sowie die hierauf entfallenden Steuerabzugsbetr盲ge nicht an.
Der Beklagte und Revisionskl盲ger (das FA) f眉hrte die Einkommensteuerveranlagung entsprechend den bei ihm eingereichten Steuererkl盲rungen durch, 盲nderte aber die daraufhin ergangenen Einkommensteuerbescheide gem盲脽 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977), nachdem ihm eine Kontrollmitteilung 眉ber die vom DRK an den Kl盲ger gezahlten Verg眉tungen zugegangen war. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.
Nachdem die Einspruchsentscheidung bestandskr盲ftig geworden war, beantragte der damalige Bevollm盲chtigte des Kl盲gers, "die in den Jahren 1973 bis 1977 gezahlten Zuschl盲ge f眉r Sonntagsarbeit gem盲脽 搂 3 b EStG steuerfrei zu belassen und berichtigte Bescheide zu erlassen". Das FA lehnte diesen Antrag ab, weil den Kl盲ger ein grobes Verschulden daran treffe, da脽 diese Tatsache erst nachtr盲glich bekanntgeworden sei. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und f眉hrte im wesentlichen zur Begr眉ndung aus: Nach 搂 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 l盲gen die Voraussetzungen f眉r eine 脛nderung der Einkommensteuerbescheide vor, da dem FA erst nachtr盲glich bekanntgeworden sei, da脽 die vom DRK gezahlten Verg眉tungen steuerfreie Zuschl盲ge f眉r Sonntagsarbeit enthalten h盲tten. Den Kl盲ger selbst treffe kein grobes Verschulden, da脽 diese Tatsache erst nachtr盲glich bekanntgeworden sei. Er sei n盲mlich davon ausgegangen, da脽 die vom DRK gezahlten Verg眉tungen bei der Einkommensteuerveranlagung nicht zum Ansatz k盲men, weil das DRK die Lohnsteuer 眉bernommen habe. Au脽erdem k枚nnten von einem steuerlich unbewanderten Laien keine entsprechenden steuerlichen Kenntnisse erwartet werden. Ob den damaligen Bevollm盲chtigten des Kl盲gers ein grobes Verschulden treffe, weil er als Angeh枚riger der steuerberatenden Berufe den Sachverhalt nicht ordnungsgem盲脽 ermittelt und im Laufe des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die nach 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 ge盲nderten Einkommensteuerbescheide die Steuerfreiheit der Zuschl盲ge nicht geltend gemacht habe, k枚nne dahinstehen. Denn der Kl盲ger brauche sich ein etwaiges grobes Verschulden seines Bevollm盲chtigten nicht als eigenes grobes Verschulden zurechnen zu lassen.
Mit der Revision r眉gt das FA die Verletzung des 搂 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977. Den damaligen Bevollm盲chtigten des Kl盲gers treffe ein grobes Verschulden daran, da脽 die Zuschl盲ge f眉r Sonntagsarbeit erst nachtr盲glich bekanntgeworden seien. Es dr盲nge sich bei der dem Berater obliegenden Sachverhaltsaufkl盲rung geradezu auf, einen f眉r das DRK besch盲ftigten Arzt nach seiner T盲tigkeit an Sonn- und Feiertagen zu befragen. Dem Kl盲ger sei das grobe Verschulden seines Beraters zuzurechnen. Den Kl盲ger selbst treffe ebenfalls ein grobes Verschulden, da er seinem Berater grob fahrl盲ssig nicht alle den Sachverhalt betreffenden Unterlagen vorgelegt habe. Des weiteren habe das FG den Sachverhalt ungen眉gend aufgekl盲rt und den Anspruch auf rechtliches Geh枚r verletzt.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache an das FG zur眉ckzuverweisen.
Der Kl盲ger beantragt, die Revision des FA als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen.
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Die Revision des FA ist hinsichtlich des Hilfsantrags begr眉ndet. Sie f眉hrt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zur眉ckverweisung der Sache an das FG.
Das Urteil des FG verletzt 搂 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu 盲ndern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachtr盲glich bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer f眉hren und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, da脽 die Tatsachen oder Beweismittel erst nachtr盲glich bekanntwerden. "Tatsache" im Sinne dieser Vorschrift ist der Umstand, da脽 in den Verg眉tungen des DRK steuerfreie Zuschl盲ge f眉r Sonntagsarbeit enthalten waren. Diese Tatsache ist dem FA erst "nachtr盲glich", n盲mlich nach Erla脽 und Eintritt der Bestandskraft der 脛nderungsbescheide nach 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977, bekanntgeworden. Auf den Zeitpunkt des Erlasses der 脛nderungsbescheide (bzw. des Eintritts ihrer Bestandskraft) ist hier deshalb abzustellen, weil der Kl盲ger die 脛nderung dieser Bescheide, nicht die der urspr眉nglichen Einkommensteuerbescheide, begehrt. Die Ber眉cksichtigung der Tatsache w眉rde (bei Anwendung des 搂 3 b EStG) zu einer niedrigeren Steuer f眉hren.
Hinsichtlich der Verschuldensfrage ist die Vorentscheidung davon ausgegangen, da脽 den Kl盲ger selbst u. a. wegen dessen laienhafter Kenntnisse auf steuerrechtlichem Gebiet kein grobes Verschulden an dem nachtr盲glichen Bekanntwerden treffe, zumal er nicht habe wissen k枚nnen, da脽 Zuschl盲ge f眉r Sonntagsarbeit steuerfrei seien. Diese Ausf眉hrungen stellen eine m枚gliche W眉rdigung der tats盲chlichen Verh盲ltnisse dar, an die der Senat als Revisionsinstanz gebunden ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324). Das FG durfte jedoch nicht offenlassen, ob dem damaligen steuerlichen Berater des Kl盲gers ein grobes Verschulden zur Last f盲llt, etwa weil er den f眉r die Besteuerung ma脽gebenden Sachverhalt nicht ordnungsgem盲脽 ermittelt und deshalb die Steuerfreiheit der Zuschl盲ge f眉r Sonntagsarbeit nicht geltend gemacht hat. Denn entgegen der Auffassung des FG ist dem Steuerpflichtigen ein etwaiges grobes Verschulden seines steuerlichen Beraters wie auch das Verschulden eines Bevollm盲chtigten zuzurechnen (Urteile in BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324, und vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81, BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2).
Ein etwaiges Verschulden des steuerlichen Beraters ist auch nicht nach 搂 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO 1977 unbeachtlich. Das ist nach dieser Vorschrift der Fall, wenn die Tatsache oder das Beweismittel i. S. des 搂 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO 1977 in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln i. S. des 搂 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 steht. 搂 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO 1977 greift aber nach seinem Sinn und Zweck in F盲llen der vorliegenden Art, in denen die erneute 脛nderung eines bereits nach Nr. 1 ge盲nderten Steuerbescheides beantragt wird, nicht ein. Denn durch das Merkmal des groben Verschuldens in Nr. 2 Satz 1 des 搂 173 AO 1977 als Hinderungsgrund f眉r eine nachtr盲gliche 脛nderung zugunsten des Steuerpflichtigen soll dieser dazu angehalten werden, zu seinem Verantwortungsbereich geh枚rende und steuerlich relevante Tatsachen rechtzeitig vorzubringen (vgl. Entwurf einer Abgabenordnung - AO 1974 -, BT-Drucks. VI/1982, zu 搂 154). Wird aber ein Steuerbescheid nach Nr. 1 ge盲ndert, so sollen gleichzeitig inzwischen bekanntgewordene Tatsachen oder Beweismittel zugunsten des Steuerpflichtigen ber眉cksichtigt werden, ohne da脽 es auf die Umst盲nde, die zum nachtr盲glichen Bekanntwerden gef眉hrt haben, ankommt; diese Umst盲nde k枚nnen vernachl盲ssigt werden, weil die Bestandskraft ohnehin (durch die 脛nderung nach Nr. 1) durchbrochen wird. Nur f眉r diesen Fall will das Gesetz die mit den Tatsachen zuungunsten des Steuerpflichtigen zusammenh盲ngenden Tatsachen zugunsten des Steuerpflichtigen ohne R眉cksicht auf dessen Verschulden ber眉cksichtigt wissen und so dem Grundsatz der Richtigkeit und Gleichm盲脽igkeit der Besteuerung Rechnung tragen. Dieser gesetzgeberische Zweck rechtfertigt es aber nicht, in F盲llen, in denen - wie hier - der 脛nderungsbescheid gem盲脽 Nr. 1 bereits ergangen und bestandskr盲ftig geworden ist, eine nachtr盲gliche Ber眉cksichtigung von Tatsachen oder Beweismitteln zugunsten des Steuerpflichtigen ohne R眉cksicht auf dessen grobes Verschulden zuzulassen. Denn das w眉rde zu einer erneuten Durchbrechung der Bestandskraft f眉hren, w盲hrend ein Grund, diese nochmalige Durchbrechung der Bestandskraft von erleichterten Voraussetzungen abh盲ngig zu machen, nicht besteht.
Ist ein 脛nderungsbescheid gem盲脽 Nr. 1 bereits ergangen, so k枚nnen deshalb Tatsachen oder Beweismittel zugunsten des Steuerpflichtigen in erleichterter Form nur noch in einem Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren 眉ber den 脛nderungsbescheid geltend gemacht werden. Unterl盲脽t der Steuerpflichtige dies, so kann er Tatsachen oder Beweismittel zu seinen Gunsten nur noch unter den Voraussetzungen des 搂 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO 1977, also dann geltend machen, wenn ihn am nachtr盲glichen Bekanntwerden kein grobes Verschulden trifft.
Im Streitfall ist der 脛nderungsbescheid bestandskr盲ftig geworden. Die Steuerfreiheit der Zuschl盲ge f眉r Sonntagsarbeit kann deshalb nach den vorstehenden Grunds盲tzen nur noch nach 搂 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO 1977 ber眉cksichtigt werden, wenn weder den Steuerpflichtigen noch seinen steuerlichen Berater ein grobes Verschulden an dem nachtr盲glichen Bekanntwerden trifft.
Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung mu脽 deshalb aufgehoben werden. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird die f眉r die Frage des groben Verschuldens des steuerlichen Beraters erforderliche W眉rdigung der tats盲chlichen Umst盲nde nachzuholen haben.
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Fundstellen
亿兆体育-Index 74832 |
BStBl II 1984, 48 |
BFHE 1984, 343 |