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Entscheidungsstichwort (Thema)
(F眉nf-Monate-Frist f眉r 脺bergabe eines vollst盲ndig abgefa脽ten Urteils an die Gesch盲ftsstelle: 脺berschreitung als Verfahrensmangel i.S. des 搂 116 Abs.1 Nr.5 FGO, genau bestimmte Frist, Fristablauf am Rosenmontag - Unzul盲ssigkeit eines Antrags nach 搂 139 Abs.3 Satz 3 FGO im Revisionsverfahren - Tatsachenfeststellung zur Beurteilung eines Verfahrensmangels durch BFH)
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Leitsatz (amtlich)
1. Ein Urteil ist i.S. des 搂 116 Abs.1 Nr.5 und des 搂 119 Nr.6 FGO nicht mit Gr眉nden versehen, wenn es nach Verk眉ndung im Falle des 搂 105 Abs.4 FGO nicht alsbald der Gesch盲ftsstelle 眉bergeben worden ist. Ein nach Ablauf von f眉nf Monaten der Gesch盲ftsstelle 眉bergebenes (vollst盲ndig abgefa脽tes) Urteil ist nicht alsbald nachtr盲glich niedergelegt, unterschrieben sowie 眉bergeben worden und demnach nicht mit Gr眉nden versehen (Anschlu脽 an Beschlu脽 des GmS-OGB vom 27. April 1993 GmS-OGB 1/92).
2. Bei der Frist von f眉nf Monaten f眉r die nachtr盲gliche 脺bergabe des vollst盲ndig abgefa脽ten Urteils an die Gesch盲ftsstelle handelt es sich nicht um eine ungef盲hre, sondern um eine genau bestimmte Frist. Auch eine geringf眉gige Vers盲umung zieht die Rechtsfolge nach sich.
3. Dienstfreiheit beim FG (Rosenmontag) am letzten Tage der Frist hindert nicht deren Ablauf.
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Orientierungssatz
1. Die Entscheidung 眉ber einen Antrag nach 搂 139 Abs.3 Satz 3 FGO geh枚rt sachlich in das Kostenfestsetzungsverfahren und kann daher beim FG unbefristet erwirkt werden. Die Antragstellung ist im Revisionsverfahren unzul盲ssig.
2. Der BFH als Revisionsgericht kann und mu脽 die Tatsachenfeststellungen treffen, die zur Beurteilung erforderlich sind, ob ein Verfahrensmangel vorliegt. Die Tatsachen k枚nnen im Wege des Freibeweises festgestellt werden.
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Normenkette
FGO 搂听105 Abs. 4 S. 3, 搂听116 Abs. 1 Nr. 5, 搂听119 Nr. 6, 搂听118 Abs. 2, 搂听139 Abs. 3 S. 3; ZPO 搂听222 Abs. 2, 搂听552
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Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage des Kl盲gers und Revisionskl盲gers (Kl盲ger) durch ein auf Grund der m眉ndlichen Verhandlung vom 27. September 1994 ergangenes und am selben Tage verk眉ndetes Urteil ab. In der Akte des FG (Bl.125) befindet sich ein Vermerk, wonach der Tenor des Urteils (ohne 贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别) am 30. September 1994 und die vollst盲ndigen 贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别 am 1. M盲rz 1995 bei der Gesch盲ftsstelle des zust盲ndigen FG-Senats eingegangen sind. Das Urteil wurde dem Proze脽bevollm盲chtigten des Kl盲gers am 14. M盲rz sowie dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) am 15. M盲rz 1995 zugestellt.
Mit der Revision r眉gt der Kl盲ger einen Verfahrensmangel i.S. von 搂 116 Abs.1 Nr.5 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Er macht geltend, die Vorentscheidung sei nicht mit Gr眉nden versehen, weil zwischen der Verk眉ndung des Urteils und der 脺bergabe des vollst盲ndig abgefa脽ten Urteils an die zust盲ndige Gesch盲ftsstelle mehr als f眉nf Monate verstrichen seien.
Der Kl盲ger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuer f眉r 1989 und 1990 entsprechend den Steuererkl盲rungen festzusetzen und bei den Folgejahren nur bestimmte Ums盲tze der Besteuerung zu unterwerfen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zur眉ckzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unzul盲ssig zu verwerfen.
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贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别
II. Die Revision ist zul盲ssig und begr眉ndet. Sie f眉hrt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zur眉ckverweisung der Sache an das FG (搂 126 Abs.3 Nr.2 FGO).
1. Der Kl盲ger konnte --ungeachtet der Beschr盲nkungen in Art.1 Nr.5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) in der f眉r den Streitfall geltenden Fassung-- Revision ohne vorherige Zulassung einlegen. Er hat Tatsachen vorgetragen, die --ihre Richtigkeit unterstellt-- einen wesentlichen Mangel i.S. des 搂 116 Abs.1 Nr.5 FGO ergeben. Ein Verfahrensmangel im Sinne der genannten Vorschrift liegt vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht mit Gr眉nden versehen ist.
2. Das Urteil des FG ist als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen und deshalb aufzuheben (搂 118 Abs.1 Satz 1 i.V.m. 搂 126 Abs.3 FGO), weil die Vorentscheidung nicht mit Gr眉nden versehen ist (搂 119 Nr.6 FGO). Denn das angefochtene (vollst盲ndig abgefa脽te) Urteil ist nicht gem盲脽 搂 105 Abs.4 Satz 3 FGO alsbald der Gesch盲ftsstelle 眉bergeben worden.
a) Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtsh枚fe des Bundes (GmS-OGB) hat in seinem Beschlu脽 vom 27. April 1993 GmS-OGB 1/92 (BVerwGE 92, 367, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1993, 2603, H枚chstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1993, 674) entschieden, da脽 ein Urteil nicht mit Gr眉nden versehen ist (搂 138 Nr.6 der Verwaltungsgerichtsordnung --VwGO--), wenn es nach Verk眉ndung im Falle des 搂 117 Abs.4 Satz 2 VwGO nicht alsbald der Gesch盲ftsstelle 眉bergeben worden ist. Nach der zuletzt genannten Vorschrift sind nach Verk眉ndung eines Urteils, wenn zun盲chst nur das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, 贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别 und Rechtsmittelbelehrung der Gesch盲ftsstelle 眉bergeben worden ist, Tatbestand, 贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别 und Rechtsmittelbelehrung alsbald nachtr盲glich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Gesch盲ftsstelle zu 眉bergeben. Der GmS-OGB hat den (unbestimmten) Rechtsbegriff "alsbald" unter R眉ckgriff auf 搂 552 der Zivilproze脽ordnung (ZPO) dahin ausgelegt, da脽 eine Frist von f眉nf Monaten seit Verk眉ndung die 盲u脽erste Grenze darstellt. Ein nach Ablauf dieser Frist der Gesch盲ftsstelle 眉bergebenes (vollst盲ndig abgefa脽tes) Urteil ist demnach nicht alsbald nachtr盲glich niedergelegt, unterschrieben sowie 眉bergeben worden und demnach nicht mit Gr眉nden versehen (搂 138 Nr.6 VwGO).
Die Vorschriften des 搂 138 Nr.6 VwGO und des 搂 119 Nr.6 FGO sowie die des 搂 117 Abs.4 VwGO und des 搂 105 Abs.4 FGO entsprechen einander. Den vom GmS-OGB entwickelten Rechtsgrunds盲tzen schlie脽t sich der erkennende Senat --wie zuvor andere Senate des Bundesfinanzhofs (--BFH--, Urteile vom 10. November 1993 II R 39/91, BFHE 172, 404, BStBl II 1994, 187; vom 23. August 1994 VI R 33/94, BFH/NV 1995, 239, m.w.N.)-- f眉r die Auslegung der entsprechenden Vorschriften der Finanzgerichtsordnung an.
b) Bei der Frist von f眉nf Monaten f眉r die nachtr盲gliche 脺bergabe des vollst盲ndig abgefa脽ten Urteils an die Gesch盲ftsstelle handelt es sich nicht um eine ungef盲hre, sondern um eine genau bestimmte Frist. Dies ergibt sich aus ihrer Herleitung unter R眉ckgriff auf die Revisionsfrist des 搂 552 ZPO, die durch die Worte "mit dem Ablauf von f眉nf Monaten nach der Verk眉ndung" genau bestimmt ist. Es liegt im Wesen genau bestimmter Fristen, da脽 auch eine geringf眉gige Vers盲umung die vorgesehene Rechtsfolge nach sich zieht.
c) Der erkennende Senat selbst mu脽 pr眉fen, ob das finanzgerichtliche Urteil innerhalb der Frist von f眉nf Monaten der Gesch盲ftsstelle 眉bergeben worden ist. Denn das Revisionsgericht kann und mu脽 die Tatsachenfeststellungen treffen, die zur Beurteilung erforderlich sind, ob ein Verfahrensmangel vorliegt. Die Tatsachen k枚nnen im Wege des Freibeweises festgestellt werden (vgl. Gr盲ber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3.Aufl., 搂 118 Rz.37, m.w.N.).
d) Das angefochtene Urteil ist am 27. September 1994 verk眉ndet worden. Die F眉nf-Monate-Frist f眉r die 脺bergabe an die Gesch盲ftsstelle endete mit Ablauf des 27. Februar 1995 (搂 54 Abs.2 FGO, 搂 222 Abs.1 und 2 ZPO, 搂 187 Abs.1, 搂 188 Abs.2 des B眉rgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Dieser Tag (Rosenmontag) war zwar beim FG dienstfrei, aber kein allgemeiner Feiertag (vgl. Gesetz 眉ber Sonn- und Feiertage --Feiertagsgesetz NW-- in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. April 1989, Gesetz- und Verordnungsblatt f眉r das Land Nordrhein-Westfalen 1989, S.222; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilproze脽ordnung, 54.Aufl., 搂 222 Rn.6, m.w.N.), so da脽 die Frist nicht gem盲脽 搂 222 Abs.2 ZPO erst mit Ablauf des n盲chsten Werktages endete. Der Umstand der Dienstfreiheit am Rosenmontag hindert nicht den Fristablauf. Zwar konnte an diesem Tage die Akte nicht in der Gesch盲ftsstelle bearbeitet werden. Darauf kommt es aber nicht an, weil durch die Festlegung der F眉nf-Monate-Frist nicht die rechtzeitige Bearbeitung in der Gesch盲ftsstelle, sondern die Beurkundungsfunktion der Urteilsgr眉nde gesichert werden soll. Hierf眉r ist nur der Gesichtspunkt der Abnahme des Erinnerungsverm枚gens und der Zeitablauf nach Beratung und Verk眉ndung des Urteils von Bedeutung (vgl. im einzelnen Beschlu脽 des GmS-OGB in BVerwGE 92, 367, NJW 1993, 2603, HFR 1993, 674).
Das vollst盲ndig abgefa脽te Urteil ist versp盲tet erst am Mittwoch, dem 1. M盲rz 1995, d.h. nach Fristablauf, bei der Gesch盲ftsstelle eingegangen. Dies ergibt sich aus dem Eingangsvermerk der Gesch盲ftsstellenbeamtin und ihrer vom Senat angeforderten dienstlichen 脛u脽erung. Zwar h盲lt es die Gesch盲ftsstellenbeamtin in ihrer 脛u脽erung f眉r m枚glich, da脽 das vollst盲ndig abgefa脽te Urteil bereits am Dienstag, dem 28. Februar 1995, der Gesch盲ftsstelle 眉bergeben worden ist und die Akte von ihr wegen des Arbeitsumfangs nach dem dienstfreien Rosenmontag erst am 1. M盲rz 1995 bearbeitet worden ist. Auf diese Erw盲gung kommt es aber schon deshalb nicht an, weil die 脺bergabe auch dann als versp盲tet zu beurteilen ist, wenn sie am 28. Februar 1995 erfolgt w盲re.
Aus den dienstlichen 脛u脽erungen der beteiligten Richter des FG ergeben sich keine entgegenstehenden Erkenntnisse. Das FA bezeichnet die Fristvers盲umung als nicht zweifelsfrei, gibt jedoch keine Begr眉ndung f眉r diese Auffassung.
3. Da das angefochtene Urteil nicht mit Gr眉nden versehen ist, mu脽 es aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zur眉ckverwiesen werden. Eine Sachentscheidung, wie sie der Kl盲ger mit seinem weitergehenden Revisionsantrag erstrebt, kann nicht getroffen werden.
4. Der Antrag des Kl盲gers, die Zuziehung eines Bevollm盲chtigten f眉r das Vorverfahren f眉r notwendig zu erkl盲ren (搂 139 Abs.3 Satz 3 FGO), ist im Revisionsverfahren unzul盲ssig. 脺ber diesen Antrag befindet nicht der BFH, sondern das FG. Nach der Entscheidung des Gro脽en Senats des BFH (Beschlu脽 vom 18. Juli 1967 GrS 5-7/66, BFHE 90, 150, BStBl II 1968, 56) geh枚rt eine Entscheidung nach 搂 139 Abs.3 Satz 3 FGO sachlich in das Kostenfestsetzungsverfahren und kann beim Gericht des ersten Rechtszugs unbefristet erwirkt werden.
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Fundstellen
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BFH/NV 1996, 377 |
BStBl II 1996, 578 |
BFHE 180, 512 |
BFHE 1997, 512 |
BB 1996, 2082 (Leitsatz) |
DB 1996, 2111-2112 (Leitsatz und Gr眉nde) |
DStR 1996, 1567 (Kurzwiedergabe) |
DStZ 1997, 200 (Leitsatz) |
HFR 1997, 95 (Leitsatz) |
StE 1996, 643-644 (Kurzwiedergabe) |