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Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirkung der Auszahlung von Kindergeld an den Sozialhilfetr盲ger
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Leitsatz (amtlich)
Die Auszahlung von Kindergeld an einen Abzweigungsberechtigten f眉hrt 鈥揳nders als die Zahlung an den origin盲r Kindergeldberechtigten鈥 nur dann zum Erl枚schen des Kindergeldanspruchs, wenn der Abzweigungsbescheid bestandskr盲ftig geworden ist.
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Normenkette
EStG 搂听74 Abs. 1 S. 3, 搂听76; FGO 搂 100 Abs. 1 S. 4
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Verfahrensgang
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Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 24. Februar 2015 4 K 180/13 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt zur眉ckverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung 眉ber die Kosten des Revisionsverfahrens 眉bertragen.
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Tatbestand
Rz. 1
I. Die Kl盲gerin und Revisionsbeklagte (Kl盲gerin) erhielt von der Beklagten und Revisionskl盲gerin (Familienkasse) Kindergeld f眉r ihren schwerbehinderten Sohn. Nachdem die Beigeladene (Sozialhilfetr盲ger) Sozialhilfe an die Kl盲gerin gezahlt und deshalb die Abzweigung des Kindergeldes bei der Familienkasse beantragt hatte, zweigte diese mit Bescheid vom 5. Juli 2011 gem盲脽 搂 74 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. 搂 76 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die H盲lfte des Kindergeldes (92 EUR) an den Sozialhilfetr盲ger ab. Nachdem die Kl盲gerin hiergegen Einspruch erhoben hatte, um weiterhin volles Kindergeld zu erhalten, stellte die Familienkasse im November 2011 die Zahlung des Kindergeldes bis zur Kl盲rung des Streites zwischen der Kl盲gerin und dem Sozialhilfetr盲ger ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2013 entschied die Familienkasse, die Abzweigung im Zeitraum Mai bis Juli 2011 auf 78 EUR zu reduzieren und ab August 2012 aufzuheben.
Rz. 2
Hiergegen erhob die Kl盲gerin Klage und beantragte zun盲chst, den Abzweigungsbescheid vom 5. Juli 2011 dahingehend zu 盲ndern, dass ab Mai 2011 volles Kindergeld an sie zu zahlen sei. Nach einem rechtlichen Hinweis des Finanzgerichts (FG) auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. April 2013 V R 48/11 (BFHE 241, 270, BStBl II 2013, 697), wonach davon auszugehen sei, dass ein in den Haushalt aufgenommenes behindertes Kind Unterhaltsleistungen von mehr als dem Wert des Kindergeldes erhalte, gab der Sozialhilfetr盲ger seine Forderung nach Abzweigung des Kindergeldes ab November 2011 auf und beide Beteiligten erkl盲rten den Rechtsstreit insoweit f眉r erledigt.
Rz. 3
Hinsichtlich des Zeitraums Juli bis Oktober 2011 ging der Sozialhilfetr盲ger jedoch davon aus, dass der Abzweigungsbescheid wegen der Auszahlung an ihn nicht mehr ge盲ndert werden k枚nne. Zur Begr眉ndung verwies er auf das BFH-Urteil vom 26. August 2010 III R 21/08 (BFHE 231, 520, BStBl II 2013, 583), wonach eine Auszahlung des Kindergeldes an den origin盲r Kindergeldberechtigten zum Erl枚schen des Anspruchs f眉hre. Nach einem rechtlichen Hinweis des FG und der Er枚rterung der Sach- und Rechtslage in der m眉ndlichen Verhandlung gab daraufhin die Kl盲gerin ihren Verpflichtungsantrag auf und beantragte, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abzweigung, um eine Amtshaftungsklage gegen die Familienkasse vor dem Zivilgericht vorzubereiten.
Rz. 4
Das FG gab der Feststellungsklage statt. Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei zul盲ssig. Das Klagebegehren der Kl盲gerin auf Auszahlung des gesamten Kindergeldbetrages habe sich durch die teilweise Zahlung an den Sozialhilfetr盲ger erledigt, auch wenn die Abzweigung materiell rechtswidrig gewesen sei.
Rz. 5
Hiergegen wendet sich die Familienkasse mit der Revision. Das FG habe die Fortsetzungsfeststellungsklage als unzul盲ssig verwerfen m眉ssen, weil eine Abzweigungsentscheidung auch nach Auszahlung des Kindergeldes noch 盲nderbar sei, denn eine Zahlung an den falschen Empfangsberechtigten k枚nne von diesem zur眉ckgefordert und die Zahlung an den materiell Berechtigten nachgeholt werden. Die Klage sei als unzul盲ssig zu verwerfen.
Rz. 6
Die Familienkasse beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage als unzul盲ssig abzuweisen, hilfsweise, die Sache an das FG zur erneuten Entscheidung zur眉ckzuverweisen.
Rz. 7
Die Kl盲gerin beantragt, die Revision zur眉ckzuweisen.
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Rz. 8
II. Die Revision der Familienkasse ist begr眉ndet. Sie f眉hrt zur Aufhebung des FG-Urteils und Zur眉ckverweisung zur erneuten Entscheidung an das FG (搂 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung 鈥揊GO鈥). Das FG hat rechtsfehlerhaft die Fortsetzungsfeststellungsklage als zul盲ssig beurteilt, da sich der angefochtene Verwaltungsakt mit der Auszahlung des Kindergeldes an den Sozialhilfetr盲ger nicht i.S. des 搂 100 Abs. 1 Satz 4 FGO 鈥瀍rledigt鈥 hat. Der Kl盲gerin ist Gelegenheit zu geben, zu ihrem urspr眉nglich gestellten Antrag zur眉ck zu kehren.
Rz. 9
1. Das FG hat die Voraussetzungen einer Fortsetzungsfeststellungsklage nach 搂 100 Abs. 1 Satz 4 FGO unzutreffend bejaht. Es ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Auszahlung von Kindergeld an den Sozialhilfetr盲ger zur 鈥濫rledigung鈥 einer Klage des origin盲r kindergeldberechtigten Elternteils auf Auszahlung des Kindergeldes f眉hrt, wenn der Abzweigungsbescheid aufgrund der Anfechtung noch ge盲ndert werden kann und infolgedessen das an den Sozialhilfetr盲ger ausgezahlte Kindergeld an die Familienkasse zur眉ck zu erstatten ist.
Rz. 10
a) Nach st盲ndiger Rechtsprechung des BFH scheidet eine Abzweigung des Kindergeldes an den Sozialhilfetr盲ger oder an das Kind aus, wenn das Kindergeld zuvor bereits an den origin盲r kindergeldberechtigten Elternteil tats盲chlich ausgezahlt wurde. Der Kindergeldanspruch wird durch die Auszahlung erf眉llt und erlischt damit (BFH-Urteile in BFHE 231, 520, BStBl II 2013, 583; vom 27. Oktober 2011 III R 16/09, BFH/NV 2012, 720; BFH-Beschluss vom 2. Dezember 2013 III S 33/13 (PKH), BFH/NV 2014, 574).
Rz. 11
b) Entgegen der Rechtsauffassung des FG kommt der Auszahlung von Kindergeld an einen Dritten (Sozialhilfetr盲ger) nicht dieselbe Wirkung zu wie einer Auszahlung an den origin盲r Kindergeldberechtigten. Denn die Erf眉llungszust盲ndigkeit f眉r erhaltenes Kindergeld 盲ndert sich von der Person des Kindergeldberechtigten auf einen Dritten erst dann und soweit, wie ein bestandskr盲ftiger Abzweigungsbescheid der Familienkasse ergangen ist, bei dem es sich f眉r den Empf盲nger um einen beg眉nstigenden und f眉r den bisher Kindergeldberechtigten um einen belastenden Verwaltungsakt mit Doppelwirkung handelt (BFH-Urteil vom 24. August 2001 VI R 83/99, BFHE 196, 278, BStBl II 2002, 47; Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 搂 74 Rz 14). Wird dieser Verwaltungsakt der Familienkasse fristgerecht durch Einspruch des Kindergeldberechtigten angefochten, kann er im Einspruchsverfahren wieder aufgehoben oder eingeschr盲nkt werden. Dadurch wird die vormalige Erf眉llungszust盲ndigkeit des Kindergeldberechtigten wieder hergestellt. Demgem盲脽 hat der BFH bereits entschieden, dass im Hinblick auf die Sonderregelung des 搂 112 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X), wonach zu Unrecht erstattete Betr盲ge zur眉ckzuerstatten sind, eine entsprechende Anwendung der unter II.1.a dargestellten Grunds盲tze bei Zahlung von Kindergeld an den origin盲r Kindergeldberechtigten bei einer angefochtenen Abzweigungsentscheidung nicht in Betracht kommt (BFH-Urteil vom 19. September 2013 V R 25/12, BFH/NV 2014, 322). Der Sozialhilfetr盲ger hat nach erfolgreicher Anfechtung des Abzweigungsbescheides das zu Unrecht erhaltene Kindergeld an die Familienkasse gem盲脽 搂 112 SGB X zu erstatten, sodass diese das Kindergeld dem Berechtigten nachzahlen kann. Die Rechtsauffassung des FG, wonach der Kindergeldberechtigte zun盲chst eine Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die Abzweigungsentscheidung vor dem FG erheben muss, um anschlie脽end einen Schadensersatzanspruch im Wege der Amtshaftungsklage vor dem Zivilgericht nach 搂 839 des B眉rgerlichen Gesetzbuches durchzusetzen und damit die Zivilgerichtsbarkeit mit Fragen der Kindergeldberechtigung zu befassen, w盲re zudem schwerlich mit den Grunds盲tzen der Prozess枚konomie zu vereinbaren.
Rz. 12
2. Nach diesen Ma脽st盲ben ist die Vorentscheidung wegen der unzutreffenden Annahme eines Feststellungsinteresses nach 搂 100 Abs. 1 Satz 4 FGO aufzuheben. Die Sache ist mangels Spruchreife an das FG zur眉ckzuverweisen. Die Klage ist trotz des Feststellungsantrags der Kl盲gerin nicht als unzul盲ssig zu verwerfen, da der Wechsel vom urspr眉nglich gestellten Aufhebungsantrag auf den Feststellungsantrag auf Initiative des FG zustande gekommen ist (vgl. BFH-Urteil vom 20. Februar 1990 VII R 125/89, BFHE 159, 573, BStBl II 1990, 546; Gr盲ber, Kommentar zur FGO, 搂 56 Rz 20).
Rz. 13
3. Die Entscheidung 眉ber die Kosten des Verfahrens wird dem FG 眉bertragen (搂 143 Abs. 2 FGO).
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Fundstellen
亿兆体育-Index 9056996 |
BFH/NV 2016, 656 |
BFH/PR 2016, 146 |
BStBl II 2016, 960 |
BFHE 2016, 155 |
BFHE 252, 155 |
DB 2016, 6 |
DStR 2016, 8 |
DStRE 2016, 392 |
HFR 2016, 347 |