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Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagebefugnis eines Feststellungsbeteiligten, dem ein Feststellungsbescheid nach 搂 183 Abs. 2 AO bekannt gegeben wurde
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Leitsatz (NV)
Wird ein Feststellungsbescheid einem Feststellungsbeteiligten gem盲脽 搂 183 Abs. 2 AO bekannt gegeben, so ist dieser Beteiligte nicht nur einspruchsbefugt, sondern bezogen auf eine ihn materiell belastende Einspruchsentscheidung auch klagebefugt.
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Normenkette
FGO 搂 48 Abs.听1 Nrn.听1-2, Abs.听2; AO 搂 183 Abs.听1-3
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Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 11.06.2013; Aktenzeichen 3 K 2306/11) |
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Tatbestand
Rz. 1
I. Die Kl盲ger und Beschwerdef眉hrer (Kl盲ger) sind Mitglieder einer Wohnungseigentumsgemeinschaft (Gemeinschaft). Zur entsprechenden Wohnanlage geh枚ren neben dem Reihenhaus der Kl盲ger zehn weitere Reihenh盲user sowie ein Blockheizkraftwerk.
Rz. 2
Die Gemeinschaft bestellte in einer Eigent眉merversammlung die X-Hausverwaltungs GmbH (GmbH) zum Verwalter der Wohnanlage. Zugleich erteilte der in der Versammlung gew盲hlte Verwaltungsbeirat der GmbH eine entsprechende Verwaltungsvollmacht.
Rz. 3
Mit Schreiben vom 21. Februar 2011 teilten die Kl盲ger dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) mit, sie h盲tten gegen den Beschluss 眉ber die Abrechnung 2009 f眉r die Gemeinschaft inklusive des Blockheizkraftwerks Klage beim Amtsgericht erhoben. Als Miteigent眉mer legten sie vorsorglich Einspruch gegen die die Gemeinschaft betreffende gesonderte und einheitliche Feststellung 2009 ein und beantragten, nach 搂 183 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) auch als Empf盲nger der (noch) zu erlassenden Bescheide eingetragen zu werden.
Rz. 4
Kurz danach gab die GmbH beim FA f眉r die Gemeinschaft die Feststellungserkl盲rung f眉r 2009 (Streitjahr) ab und gab dort an, sie sei Empfangsbevollm盲chtigte der Gemeinschaft.
Rz. 5
Im Feststellungsbescheid f眉r das Streitjahr vom 21. M盲rz 2011 stellte das FA die Besteuerungsgrundlagen erkl盲rungsgem盲脽 fest. Den Bescheid gab es der GmbH als Empfangsbevollm盲chtigte der Gemeinschaft und zugleich den Kl盲gern nach 搂 183 Abs. 2 AO bekannt.
Rz. 6
Auf den hiergegen von den Kl盲gern wegen der unterlassenen Erfassung der durch das Blockheizkraftwerk produzierten und von den Beteiligten der Gemeinschaft ausschlie脽lich privat genutzten Mengen an Strom und W盲rme erhobenen Einspruch 盲nderte das FA nach Hinzuziehung der Gemeinschaft, vertreten durch die GmbH, zum Verfahren die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zwar teilweise ab, wies den Einspruch aber im 脺brigen als unbegr眉ndet zur眉ck, da das Blockheizkraftwerk in zul盲ssiger Weise dem notwendigen Privatverm枚gen zuzuordnen sei.
Rz. 7
Die dagegen von den Kl盲gern erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) durch das angefochtene Urteil als unzul盲ssig ab. Zur Begr眉ndung f眉hrte es aus, die GmbH sei nach 搂 48 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) klagebefugt, da sie zwar nicht mit einer einem Gesch盲ftsf眉hrer entsprechenden umfassenden Handlungsvollmacht ausgestattet gewesen, allerdings mit Wirkung f眉r und gegen alle an der Gemeinschaft Beteiligte als Empfangsbevollm盲chtigte i.S. des 搂 48 Abs. 2 Satz 1 FGO i.V.m. 搂 183 Abs. 1 Satz 1 AO anzusehen sei. Insoweit entspreche die Klageerhebung durch die Kl盲ger nicht dem Willen der Gemeinschaft, weil die Kl盲ger gegen die Beschl眉sse der Gemeinschaft zivilgerichtlich vorgingen und durch ihren Antrag nach 搂 183 Abs. 2 AO belegt h盲tten, dass es Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen und den 眉brigen Beteiligten der Gemeinschaft gebe. Die Klagebefugnis der GmbH schlie脽e diejenige der Kl盲ger aus, weil keine Ausnahme nach 搂 48 Abs. 1 Nrn. 3 bis 5 FGO vorliege.
Rz. 8
Gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen FG-Urteil wehren sich die Kl盲ger mit ihrer Beschwerde, mit der sie geltend machen, das FG-Urteil beruhe auf einer Verletzung von 搂 48 Abs. 2 Satz 3 FGO.
Rz. 9
Die Kl盲ger beantragen, die Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. Juni 2013听 3 K 2306/11 zuzulassen.
Rz. 10
Das FA hat sich zum Verfahren nicht ge盲u脽ert.
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Rz. 11
II. Die Beschwerde ist begr眉ndet und f眉hrt zur Aufhebung des FG-Urteils sowie zur Zur眉ckverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (搂 116 Abs. 6 FGO). Das FG-Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel i.S. des 搂 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (dazu 1.), der im Hinblick darauf, dass das FG-Urteil auch nicht aus anderen Gr眉nden im Ergebnis zutreffend ist, auch in einem Revisionsverfahren zu beachten w盲re (dazu 2.); entsprechend ist es ermessensgerecht, die Sache an das FG zur眉ckzuverweisen (dazu 3.).听
Rz. 12
1. Das FG-Urteil beruht deshalb auf einem Verfahrensmangel i.S. des 搂 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, weil das FG die Klage zu Unrecht unter Berufung auf 搂 48 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 FGO als unzul盲ssig abgewiesen hat. Erl盲sst ein FG zu Unrecht ein Prozessurteil, anstatt zur Sache zu entscheiden, liegt darin nach st盲ndiger Rechtsprechung ein Verfahrensmangel i.S. des 搂 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (vgl. nur Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. September 1985 IX R 47/83, BFHE 145, 299, BStBl II 1986, 268; BFH-Beschl眉sse vom 23. November 1994 I B 63/94, BFH/NV 1995, 980; vom 17. Juli 2012 IV B 55/11, BFH/NV 2012, 1817).
Rz. 13
a) Nach 搂 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO k枚nnen gegen Bescheide 眉ber die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zur Vertretung berufene Gesch盲ftsf眉hrer oder, wenn solche nicht vorhanden sind, der Klagebevollm盲chtigte i.S. des Abs. 2 der Vorschrift Klage erheben.
Rz. 14
aa) Das FG ist zwar mit Blick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des 搂 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 FGO zu Recht davon ausgegangen, dass die GmbH nicht mit einer einem Gesch盲ftsf眉hrer entsprechenden umfassenden Handlungsvollmacht ausgestattet war. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sie zwar mit Beschluss der Wohneigent眉merversammlung vom 30. Juli 2009 zur Verwalterin bestellt wurde, ihr aber ausweislich der (seitens des Verwaltungsbeirats f眉r die Gemeinschaft einger盲umten) Hausverwaltervollmacht vom 18. August 2009 eine prozessuale Vertretung der Gemeinschaft nur erm枚glicht werden sollte, soweit die entsprechenden Voraussetzungen einer gerichtlichen Vertretung durch Eigent眉merbeschluss und Verwaltervertrag geregelt w眉rden. Das FG vermochte einen derartigen Beschluss aus den Akten nicht zu entnehmen.
Rz. 15
bb) Anders als das FG angenommen hat, war die GmbH aber mit Blick auf 搂 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 FGO nicht Klagebevollm盲chtigte i.S. des 搂 48 Abs. 2 FGO.
Rz. 16
听(1) 搂 48 Abs. 2 Satz 1 FGO sieht vor, dass klagebefugt i.S. des 搂 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO u.a. der "gemeinsame" Empfangsbevollm盲chtigte i.S. des 搂 183 Abs. 1 Satz 1 AO ist. Danach sollen in dem Fall, dass sich ein Feststellungsbescheid gegen mehrere Personen richtet, die an dem Gegenstand der Feststellung als Gesellschafter oder Gemeinschafter beteiligt sind (Feststellungsbeteiligte), diese einen gemeinsamen Empfangsbevollm盲chtigten bestellen, der erm盲chtigt ist, f眉r sie alle Verwaltungsakte und Mitteilungen in Empfang zu nehmen, die mit dem Feststellungsverfahren und dem anschlie脽enden Verfahren 眉ber einen Einspruch zusammenh盲ngen. Es ist insoweit zwar richtig, dass die GmbH in der von ihr f眉r die Gemeinschaft eingereichten Feststellungserkl盲rung angegeben hat, sie sei eine solche gemeinsame Empfangsbevollm盲chtigte i.S. des 搂 183 Abs. 1 Satz 1 AO. Indessen ist nach 搂 183 Abs. 2 Satz 1 AO der Abs. 1 der Vorschrift insoweit nicht anzuwenden, als der Finanzbeh枚rde bekannt ist, dass die Gesellschaft oder Gemeinschaft nicht mehr besteht, dass ein Beteiligter aus der Gesellschaft oder der Gemeinschaft ausgeschieden ist oder --was den Streitfall kennzeichnet-- dass zwischen den Beteiligten ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen. Ist danach Einzelbekanntgabe erforderlich, so sind dem Beteiligten --wie dies auch das FA im Streitfall getan hat-- der Gegenstand der Feststellung, die alle Beteiligten betreffenden Besteuerungsgrundlagen, sein Anteil, die Zahl der Beteiligten und die ihn pers枚nlich betreffenden Besteuerungsgrundlagen bekannt zu geben (搂 183 Abs. 2 Satz 2 AO).
Rz. 17
听(2) Das gilt nach 搂 183 Abs. 3 Satz 1 AO auch dann, wenn zwar ein Empfangsbevollm盲chtigter i.S. des 搂 183 Abs. 1 Satz 1 AO vorhanden ist, aber der in 搂 183 Abs. 2 Satz 1 AO genannte Beteiligte --wie auch hier die Kl盲ger-- dem FA gegen眉ber einer einheitlichen Bekanntgabe an den Empfangsbevollm盲chtigten i.S. des 搂 183 Abs. 1 Satz 1 AO widersprochen hat. Der Senat hat insoweit keinen Zweifel daran, dass das Schreiben der Kl盲ger vom 21. Februar 2011 so auszulegen war, dass sie einer Bekanntgabe alleine an die GmbH nicht zustimmten. Ansonsten h盲tte ihr Antrag, als Empf盲nger eines noch zu erlassenden Bescheides eingetragen zu werden, keinen Sinn gehabt.
Rz. 18
cc) Wird ein Feststellungsbescheid einem Feststellungsbeteiligten --wie hier den Kl盲gern-- gem盲脽 搂 183 Abs. 2 AO bekannt gegeben, so ist dieser Beteiligte zun盲chst einspruchsbefugt. Die Befugnis, einen Rechtsbehelf einzulegen, folgt f眉r den Empf盲nger der Einzelbekanntgabe nach 搂 183 Abs. 2 AO daraus, dass ein belastender Verwaltungsakt an ihn gerichtet wird (vgl. BFH-Urteil vom 27. Mai 2004 IV R 48/02, BFHE 206, 211, BStBl II 2004, 964). Legt der betroffene Beteiligte dann --wie die Kl盲ger im Streitfall-- gegen eine den ihm nach 搂 183 Abs. 2 AO bekannt gegebenen Feststellungsbescheid betreffende und ihn materiell belastende Einspruchsentscheidung Klage ein, so ist diese nach 搂 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO zul盲ssig, weil keine Person i.S. der Nr. 1 der Vorschrift, n盲mlich weder ein zur Vertretung berufener Gesch盲ftsf眉hrer noch ein "gemeinsamer" Empfangsbevollm盲chtigter, vorhanden ist. Dies folgt letztlich auch aus 搂 48 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 FGO, wonach in F盲llen, in denen ein Feststellungsbeteiligter der Klagebefugnis des Empfangsbevollm盲chtigten widersprochen hat, auch kein fingierter oder vom FA bestimmter Empfangsbevollm盲chtigter hinsichtlich der Klagebefugnis nach 搂 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO an die Stelle eines gemeinsamen Empfangsbevollm盲chtigten tritt.
Rz. 19
2. Da andere Gr眉nde, die f眉r die Unzul盲ssigkeit der Klage sprechen k枚nnten, nicht erkennbar sind, war das FG-Urteil aufzuheben.
Rz. 20
3. Es ist ermessensgerecht, das Verfahren an das FG zur眉ckzuverweisen, weil der vorgenannte Verfahrensfehler auch in einem Revisionsverfahren zu beachten w盲re. Das FG wird bei seiner Entscheidung zu ber眉cksichtigen haben, dass die GmbH als Empfangsbevollm盲chtigte der 眉brigen Beteiligten der Gemeinschaft nach 搂 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren notwendig beizuladen ist (vgl. Gr盲ber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., 搂 60 Rz 59 "Empfangsbevollm盲chtigter/Klagebevollm盲chtigter", m.w.N.).
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Fundstellen
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BFH/NV 2014, 555 |