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Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Bindung der Finanzgerichte an einen Freispruch in einem Steuerstrafverfahren
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Leitsatz (NV)
1. Wegen der Eigenst盲ndigkeit des Besteuerungsverfahrens gegen眉ber dem Steuerstrafverfahren gem盲脽 搂 393 Abs. 1 AO hindert ein Freispruch im Strafverfahren das FG nicht, aufgrund eigener Feststellungen zur vollen 脺berzeugung einer Steuerhinterziehung zu gelangen.
2. Das FG kann sich aber auch die tats盲chlichen Feststellungen des Strafverfahrens zu eigen machen, wenn nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen 脺berzeugung (搂 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) diese Feststellungen zutreffend sind und keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen des Strafgerichts erhoben werden.
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Normenkette
AO 搂 393 Abs. 1; FGO 搂听76 Abs.听1 S. 1, Abs.听2, 搂听96 Abs.听1 S. 1, Abs.听2, 搂听115 Abs. 2 Nr. 1; GG Art. 103 Abs. 1
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Verfahrensgang
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骋谤眉苍诲别
Rz. 1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Keiner der von den Kl盲gern und Beschwerdef眉hrern (Kl盲ger) geltend gemachten Revisionszulassungsgr眉nde ist gegeben bzw. in der nach 搂 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geforderten Weise dargelegt worden.
Rz. 2
1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grunds盲tzlichen Bedeutung der Rechtssache (搂 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verlangt substantiierte Ausf眉hrungen zur Kl盲rungsbed眉rftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich gekl盲rt werden kann und deren Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist. Dazu sind Ausf眉hrungen erforderlich, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen 骋谤眉苍诲别n die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (Beschl眉sse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837, und vom 24. Januar 2008 X B 87/07, BFH/NV 2008, 605). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegr眉ndung nicht gerecht.
Rz. 3
Die Kl盲ger machen mit ihrer Frage, wie weit sich das Finanzgericht (FG) von einer bereits vorliegenden Entscheidung im Strafverfahren und den gewonnenen Erkenntnissen entfernen darf, wenn es die Erkenntnisse des Strafverfahrens herangezogen und teilweise zur Grundlage seiner eigenen Beurteilung gemacht hat, nicht die grunds盲tzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Sie haben sich nicht mit der h枚chstrichterlichen Rechtsprechung auseinandergesetzt, nach der wegen der Eigenst盲ndigkeit des Besteuerungsverfahrens gegen眉ber dem Steuerstrafverfahren gem盲脽 搂 393 Abs. 1 der Abgabenordnung ein Freispruch im Strafverfahren das FG nicht hindert, aufgrund eigener Feststellungen zur vollen 脺berzeugung einer Steuerhinterziehung zu gelangen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 4. Mai 2005 XI B 230/03, BFH/NV 2005, 1485), und andererseits sich das Gericht auch die tats盲chlichen Feststellungen des Strafgerichts zu eigen machen kann, wenn nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen 脺berzeugung (搂 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) diese Feststellungen zutreffend sind und keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen des Strafgerichts erhoben werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 2. Dezember 2003 VII R 17/03, BFHE 204, 380). Zudem h盲tten sich die Kl盲ger in ihrer Beschwerdebegr眉ndung auch mit der Literatur zum Umfang der Bindung der Finanzgerichte an Erkenntnisse aus einem Strafverfahren befassen und insbesondere darlegen m眉ssen, ob und ggf. welche Autoren die Auffassung vertreten, Finanzgerichte k枚nnten ihre Entscheidung dann nicht auf (einzelne) Feststellungen im Strafverfahren st眉tzen, wenn sie im Gegensatz zum Strafgericht Steuerhinterziehung bejahen.
Rz. 4
2. Die Kl盲ger r眉gen einen Versto脽 gegen die Sachaufkl盲rungspflicht (搂 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) und gegen das rechtliche Geh枚r (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--). Sie sind der Ansicht, das FG h盲tte von Amts wegen kl盲ren m眉ssen, welche Fleischmengen die M-GmbH bzw. die F-GmbH dem Kl盲ger in den Streitjahren verkauft und geliefert habe und wie diese Waren abgerechnet worden seien.
Rz. 5
Dieses Vorbringen rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Die auch im finanzgerichtlichen Verfahren vertretenen Kl盲ger haben nicht dargelegt, warum sie nicht von sich aus die Vernehmung von Mitarbeitern der M-GmbH bzw. der F-GmbH beantragt haben, nachdem sich der ordnungsgem盲脽 zur m眉ndlichen Verhandlung geladene Gesch盲ftsf眉hrer M der Firmen schriftlich auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen hatte und nicht zur m眉ndlichen Verhandlung erschienen war, die Beweiserhebung sich aber dem FG, das lt. Niederschrift 眉ber die m眉ndliche Verhandlung eine zwangsweise Vorf眉hrung des Zeugen M nicht f眉r sachdienlich hielt, gleichwohl --ohne besonderen Antrag-- h盲tte aufdr盲ngen m眉ssen (vgl. Senatsurteil vom 5. M盲rz 2008 X R 48/06, BFH/NV 2008, 1463). Es w盲re zur Wahrnehmung der eigenen Interessen die Pflicht der Kl盲ger gewesen, ausdr眉ckliche Beweisantr盲ge zu stellen bzw. auf der zwangsweisen Vorf眉hrung des Zeugen M zu bestehen. Das haben sie unterlassen.
Rz. 6
3. Das FG hat auch nicht seine Hinweispflicht nach 搂 76 Abs. 2 FGO verletzt, weil es die Kl盲ger nicht auf ihre Feststellungslast hingewiesen hat. Bei den richterlichen Hinweispflichten nach 搂 76 Abs. 2 FGO geht es weniger um die Aufkl盲rung von Amts wegen durch das Gericht als darum, Schutz und Hilfestellung f眉r die Beteiligten zu geben, deren Eigenverantwortlichkeit dadurch aber nicht eingeschr盲nkt oder gar beseitigt wird. Liegt die rechtliche Bedeutung bestimmter Tatsachen und die sich daraus ergebende Notwendigkeit, diese Tatsachen bei Gericht vorzubringen und zu substantiieren, zur Erreichung des Prozessziels auf der Hand, so stellt ein unterlassener Hin-weis jedenfalls dann keine gegen 搂 76 Abs. 2 FGO versto脽ende Pflichtverletzung dar, wenn der Kl盲ger steuerlich beraten und im Prozess entsprechend vertreten wird (z.B. BFH-Beschluss vom 19. M盲rz 2001 VII B 231/00, BFH/NV 2001, 1012, m.w.N.).
Rz. 7
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) kam aufgrund der Feststellungen einer Fahndungspr眉fung bei der M-GmbH und der F-GmbH zu dem Ergebnis, der Kl盲ger habe nicht alle von den Firmen gelieferten Waren buchm盲脽ig erfasst und hat daraufhin Hinzusch盲tzungen vorgenommen. Diese waren im finanzgerichtlichen Verfahren streitig. Durch Vernehmung des Zeugen M sollte gekl盲rt werden, welche Fleischmengen die M-GmbH bzw. die F-GmbH dem Kl盲ger tats盲chlich geliefert hatten. Nachdem dieser trotz ordnungsgem盲脽er Ladung nicht zur m眉ndlichen Verhandlung erschienen war und das Gericht ausdr眉cklich erkl盲rt hatte, es sehe angesichts der schriftlichen Berufung des Zeugen auf sein Zeugnisverweigerungsrecht keine Veranlassung zu einer zwangsweisen Vorf眉hrung, musste der von seinem Steuerberater und auch anwaltlich vertretene Kl盲ger damit rechnen, dass das FG nach Aktenlage entscheiden und ggf. auch eine Beweislastentscheidung treffen w眉rde. Gleichwohl haben die Kl盲ger keine weiteren Zeugen zum Umfang der Fleischlieferungen benannt.
Rz. 8
4. Aus dem gleichen Grund verletzt das FG-Urteil auch nicht als 脺berraschungsentscheidung den Anspruch der Kl盲ger auf rechtliches Geh枚r (Art. 103 Abs. 1 GG, 搂 96 Abs. 2 FGO). Eine 脺berraschungsentscheidung liegt nur vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht er枚rterten rechtlichen oder tats盲chlichen Gesichtspunkt st眉tzt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Ber眉cksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste. Der Anspruch auf rechtliches Geh枚r verlangt jedoch nicht, dass das Gericht die ma脽gebenden Rechtsfragen mit den Beteiligten umfassend er枚rtert oder sogar die einzelnen f眉r die Entscheidung erheblichen (rechtlichen oder tats盲chlichen) Gesichtspunkte im Voraus andeutet (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 7. Februar 2007 X B 105/06, BFH/NV 2007, 962, m.w.N.).
Rz. 9
5. Soweit die Kl盲ger Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend machen, wird damit kein Zulassungsgrund dargetan. Von vornherein unbeachtlich sind Einw盲nde gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegr眉ndung relevant sein k枚nnen; denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gew盲hrleisten. Gleiches gilt hinsichtlich der von den Kl盲gern behaupteten unzul盲nglichen Beweisw眉rdigung, dass das FG mehrdeutige Beweismittel einseitig interpretiert habe. Die Beweisw眉rdigung ist revisionsrechtlich ebenfalls dem materiellen Recht zuzuordnen (BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).
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Fundstellen
亿兆体育-Index 2334743 |
BFH/NV 2010, 1240 |