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Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines GrESt-Bescheides
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Leitsatz (NV)
1. Zu den unterschiedlichen vollstreckungsrechtlichen Wirkungen der Aussetzung der Vollziehung einerseits und der Aufhebung der Vollziehung andererseits.
2. Auf Grund ihrer in die Zukunft gerichteten Wirkungen ist die Aussetzung der Vollziehung - im Unterschied zur Aufhebung der Vollziehung - nicht das geeignete Mittel, die in der Vergangenheit von Gesetzes wegen entstandenen S盲umnisfolgen zu beseitigen.
3. Zur Auslegung des 搂 240 Abs. 1 Satz 4 AO 1977.
4. Ernstliche Zweifel i.S. des 搂 69 Abs. 2 Satz 2 FGO erfordern nicht, da脽 sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes nahezu greifbar abzeichne.
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Normenkette
AO 1977 搂听240 Abs. 1 S. 4, 搂听251 Abs. 1, 搂听257 Abs. 1 Nr. 1; FGO 搂 69 Abs.听2 S. 2, Abs.听3 S盲tze听1, 4; GrEStEigWoG 搂 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
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Verfahrensgang
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Tatbestand
Die Klin. erwarb aufgrund notariell beurkundeten Vertrags vom 5. April 1979 das Grundst眉ck . . . in K, auf dem sich ein Einfamilienhaus mit Scheunen und Stallungen befand, zum Kaufpreis von . . . DM. Das FA setzte zun盲chst unter Freistellung des Erwerbs im 眉brigen nach 搂 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG GrESt Grunderwerbsteuer aus den auf dem auf den Erwerb der Scheune entfallenden Kaufpreisanteil von . . . DM fest. Sp盲tere Ermittlungen des FA bei der zust盲ndigen Bewertungsstelle ergaben, da脽 das von der Klin. erworbene Grundst眉ck als gemischtgenutztes Grundst眉ck bewertet worden war. Nunmehr setzte das FA mit Bescheiden vom 9. Juli 1985 aus einer Bemessungsgrundlage von . . . DM gegen die Klin. GrESt in H枚he von . . . DM sowie Zinsen nach 搂 3 GrEStEigWoG in H枚he von . . . DM fest. Zusammen mit dem hiergegen erhobenen Einspruch beantragte die Klin. Aussetzung der Vollziehung, die das FA schlie脽lich mit Verf眉gung vom 30. Januar 1986 vom F盲lligkeitstage ab bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung gew盲hrte. Gleichzeitig bat das FA, dem eine Anmeldebest盲tigung vorlag, ,,um Vorlage geeigneter Unterlagen (Strom-, Telefonrechnungen o. 盲.)", aus denen sich die einj盲hrige Nutzung des Geb盲udes durch die Klin. ergebe, sowie um Nachweise, da脽 es sich bei dem Objekt um ein Zweifamilienhaus handele.
Als die angeforderten Nachweise trotz Erinnerung und des Hinweises des FA, da脽 die eingereichte Anmeldebebest盲gtigung nicht gen眉ge, ausblieben, wies das FA den Einspruch als unbegr眉ndet zur眉ck.
Daraufhin hat die Klin. Klage erhoben und ihrer Klagebegr眉ndung, mit der sie sich nach wie vor auf eine mehr als ein Jahr dauernde wohnliche Eigennutzung des erworbenen Grundst眉cks beruft, als Erg盲nzung zur Meldebest盲tigung verschiedene Strom- und Wasserrechnungen des Jahres 1981 beigef眉gt. Sie macht geltend, sie habe den Mittelpunkt ihres Lebensinteresses in den Jahren 1981 bis 1984 in dem erworbenen Grundst眉ck gehabt, wenn sie auch gleichwohl w盲hrend dieses Zeitraums den Haushalt ihres Ehemannes in K nach wie vor versorgt habe. Die Wohnung in dem Grundst眉ck habe sie mit ihrem minderj盲hrigen Sohn bezogen, weil erhebliche Differenzen mit ihrem Ehemann bestanden h盲tten, woraus sich der Wunsch nach einer Trennung auf Zeit ergeben h盲tte. 1984 h盲tten sich die Eheleute wieder vers枚hnt.
Das Grundst眉ck habe ausschlie脽lich Wohnzwecken gedient; allerdings seien auf der Grundst眉cksfl盲che auch Fahrzeuge f眉r den Gebrauchtwagenhandel der Klin. abgestellt worden. Unzutreffend sei die Annahme des FA, die ungew枚hnlich hohen Verbrauchsrechnungen der RWE deuteten auf eine gewerbliche Nutzung, denn das Geb盲ude sei elektrisch beheizt worden.
Einen w盲hrend des Klageverfahrens am 28. Juli 1987 beim FA gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat das FA mit Bescheid vom 14. Juli 1987 abgelehnt. Die Klin. hat daraufhin Antrag gem盲脽 搂 69 Abs. 3 FGO gestellt. Zur Glaubhaftmachung f眉r die von ihr behauptete mehr als einj盲hrige Eigennutzung zu Wohnzwecken hat sie eidesstattliche Versicherungen der von ihr benannten Zeugen vorgelegt. Diese sind beim FG am 2. Mai 1988 eingegangen. Mit Verf眉gung vom 24. Mai 1988 hat das FA die Vollziehung des GrESt-Bescheids vom 9. Juli 1985 und des Zinsbescheids vom gleichen Tage mit Wirkung vom Tage des Eingangs dieser eidesstattlichen Versicherungen beim FG in vollem Umfang ausgesetzt.
Auf Anfrage des FG hat die Klin. mitgeteilt, da脽 sie die Aussetzungssache nicht in der Hauptsache als erledigt erkl盲ren k枚nne; das FA versuche, das bereits eingeleitete Vollstreckungsverfahren weiter zu betreiben. Sie beantragte, die Aussetzung der Vollziehung r眉ckwirkend ab F盲lligkeit zu gew盲hren.
Das FG hat die Vollziehung des GrESt-Bescheids vom 9. Juli 1985 ab F盲lligkeit der Steuerschuld ausgesetzt. Die Entscheidung ist in EFG 1989, 240 abgedruckt.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde beantragt das FA, den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung r眉ckwirkend ab F盲lligkeit unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses abzuweisen.
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Die Beschwerde des FA ist mit der Ma脽gabe als unbegr眉ndet zur眉ckzuweisen, da脽 die Vollziehung des GrESt-Bescheids vom 9. Juli 1985 ab F盲lligkeit bis einschlie脽lich 1. Mai 1988 aufgehoben wird.
1. Der Senat vermag sich der Ansicht des FG, entgegen dem BFH-Beschlu脽 vom 10. Dezember 1986 I B 121/86 (BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389) sei es zutreffender, von einer r眉ckwirkenden Aussetzung der Vollziehung zu sprechen, wenn nicht nur selbst盲ndige Vollzugsakte, sondern auch gesetzlich verwirkte S盲umniszuschl盲ge erfa脽t werden sollen, nicht anzuschlie脽en. Das FG verkennt dabei die vollstreckungsrechtliche Wirkung der Institute der Aussetzung der Vollziehung einerseits und der Aufhebung der Vollziehung andererseits. W盲hrend die Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsakts die Vollstreckbarbkeitsvoraussetzungen des 搂 251 Abs. 1 AO 1977 beseitigt mit der Folge, da脽 gem盲脽 搂 257 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 die Vollstreckung einzustellen ist, bereits getroffene Vollstreckungsma脽nahmen nach 搂 257 Abs. 2 S盲tze 1 und 3 AO 1977 jedoch bestehen bleiben, f眉hrt die Aufhebung der Vollziehung kraft der ihr innewohnenden Aussage dazu, da脽 bereits getroffene Vollstreckungsma脽nahmen aufzuheben sind. Die vollstreckungsrechtliche Wirkung der Aussetzung der Vollziehung belegt zum anderen, da脽 dem Ausspruch der Aussetzung der Vollziehung nur rechtsgestaltende Wirkung f眉r die Zukunft zuzumessen ist, weil erst mit diesem Ausspruch die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen i. S. des 搂 251 Abs. 1 AO 1977 wegfallen. So mi脽t auch die Rechtsprechung des BFH seit dem Beschlu脽 vom 23. Juni 1977 V B 41/73 (BFHE 122, 258, BStBl II 1977, 645) der Aussetzung der Vollziehung nur Wirkungen f眉r die Zukunft zu.
Da Vollzug eines Steuerbescheides jeglicher Gebrauch seiner Wirkung bedeutet, also auch den Anfall von S盲umniszuschl盲gen (vgl. n盲her dazu in BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389), ist Aussetzung der Vollziehung ihrer in die Zukunft gerichteten Wirkung nach, auch nicht das geeignete Mittel, die ex lege entstandenen S盲umnisfolgen der Vergangenheit zu beseitigen.
2. Nach 搂 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 FGO kann das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts (ganz oder teilweise) aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtm盲脽igkeit dieses Verwaltungsakts bestehen. Derartige ernstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn bei summarischer Pr眉fung des angefochtenen Verwaltungsakts neben f眉r seine Rechtm盲脽igkeit sprechenden Umst盲nden gewichtige Gr眉nde zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarkeit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (st盲ndige Rechtsprechung seit dem BFH-Beschlu脽 vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182). Unter den gleichen Voraussetzungen kann das Gericht der Hauptsache ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung anordnen, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen ist (搂 69 Abs. 3 Satz 4 FGO). Wie der I. Senat des BFH in seinem Beschlu脽 in BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389 ausgesprochen hat, gestattet es diese Vorschrift auch, die Vollziehung eines Steuerbescheids mit der Folge aufzuheben, da脽 in der Vergangenheit entstandene S盲umniszuschl盲ge entfallen. Denn die Aus眉bung von Druck i. S. des 搂 240 AO 1977 (zum Charakter der S盲umniszuschl盲ge als eines Druckmittels eigener Art vgl. den Beschlu脽 des Gro脽en Senats vom 8. Dezember 1975 GrS 1/75, BFHE 117, 352, BStBl II 1976, 262) ist nur berechtigt, wenn die Vollziehung eines Steuerbescheids ansteht, der entweder nicht angefochten ist oder bez眉glich dessen trotz Anfechtung keine ernstlichen Zweifel an seiner Rechtm盲脽igkeit bestehen, nicht aber dann, wenn ein Steuerbescheid angefochten wird und - wenn auch ggf. nachtr盲glich - ernstliche Zweifel an seiner Rechtm盲脽igkeit von Anfang an festgestellt werden. Der Senat schlie脽t sich der Auffassung des I. Senats in BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389 an.
In diesem Beschlu脽 hat der I. Senat - und darauf st眉tzt sich das FA in seiner Beschwerdebegr眉ndung - ausgesprochen, die in 搂 240 Abs. 1 Satz 4 AO 1977 getroffene Regelung betreffe deshalb u. a. nur F盲lle, in denen zumindest f眉r eine gewisse Zeit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtm盲脽igkeit des Steuerbescheids best眉nden und als Beispiel den Fall angef眉hrt, da脽 die Besteuerungsgrundlagen gesch盲tzt wurden und die Abgabe der Steuererkl盲rung erst im Rechtsbehelfsverfahren erfolgt. In einem solchen Fall ist die Sch盲tzung der Besteuerungsgrundlagen dem Grunde nach zun盲chst nach 搂 162 Abs. 2 AO 1977 gerechtfertigt - also nicht per se rechtswidrig -, sie verliert aber durch die Vorlage der Steuererkl盲rungen mit ausreichenden Angaben, die die Besteuerungsgrundlagen ermittel- und berechenbar machen (vgl. 搂 162 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), ihre Grundlage. Im vorliegenden Fall hat zwar die Klin. ihrer in 搂 2 Nr. 2 GrEStEigWoG normierten Nachweispflicht zun盲chst nur durch Vorlage der Anmeldebest盲tigung gemeint gen眉gen zu k枚nnen. Diese Nachweispflicht entbindet jedoch das FA nicht von der Pflicht zur eigenen Pr眉fung und davon, rechtzeitig die Erg盲nzung unzureichenden Vortrags zu veranlassen (vgl. 搂 89 Satz 1 AO 1977). So hat das FA denn auch die Klin. zur Vorlage von Verbrauchsrechnungen gebeten und damit zu erkennen gegeben, da脽 es diese (wohl) als ausreichenden erg盲nzenden Nachweis ansehen werde. Die nunmehrige Auffassung des FA bedeutet, da脽 es die Aufhebung der Vollziehung nur von einem Zeitpunkt ab f眉r gerechtfertigt h盲lt, in dem sich nahezu die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts greifbar abzeichnet. Damit aber verkennt es den Begriff des ernstlichen Zweifels i. S. des 搂 69 FGO. Derartige ernstliche Zweifel bestehen bei einer auf 搂 3 Abs. 1 GrEStEigWoG beruhenden Festsetzung der GrESt n盲mlich bereits dann, wenn die vorgelegten Unterlagen den Schlu脽 rechtfertigen, die Wohnauflage (vgl. 搂 1 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 GrEStEigWoG) sei m枚glicherweise doch erf眉llt. Die Feststellung ernstlicher Zweifel an der Rechtm盲脽igkeit des angefochtenen Verwaltungsakts ergreifen ihn in solchen F盲llen von Anfang an, weil - im Gegensatz zu dem oben er枚rterten Sch盲tzungsfall - er sich 眉ber keinen Zeitraum als unzweifelhaft rechtm盲脽ig erweist.
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Fundstellen
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BFH/NV 1990, 670 |