听
Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterbildung. Aufrechnung eines Erstattungsanspruchs gegen eine Entgeltforderung
听
Orientierungssatz
Hat der Arbeitgeber mit einem Erstattungsanspruch gegen Arbeitseinkommen aufgerechnet, obliegt es ihm 鈥 unabh盲ngig von einer entsprechenden R眉ge des Arbeitnehmers 鈥 darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die Aufrechnung unter Beachtung der Pf盲ndungsschutzvorschriften erfolgt ist.
听
Normenkette
BGB 搂 394 S. 1; ZPO 搂听850 Abs. 1, 搂搂听850a, 850c
听
Verfahrensgang
LAG Baden-W眉rttemberg (Urteil vom 12.09.2013; Aktenzeichen 16 Sa 24/13) |
ArbG Mannheim (Urteil vom 31.01.2013; Aktenzeichen 5 Ca 301/12) |
听
Tenor
1. Auf die Revision der Kl盲gerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-W眉rttemberg 鈥 Kammern Mannheim 鈥 vom 12. September 2013 鈥 16 Sa 24/13 鈥 aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Kl盲gerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim 鈥 Kammern Heidelberg 鈥 vom 31. Januar 2013 鈥 5 Ca 301/12 鈥 abge盲ndert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kl盲gerin 3.784,33 Euro netto nebst Zinsen in H枚he von f眉nf Prozentpunkten 眉ber dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2012 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
听
Tatbestand
Die Parteien streiten 眉ber die Berechtigung der Beklagten, den Entgeltanspruch der Kl盲gerin um Weiterbildungskosten zu k眉rzen.
Die Beklagte besch盲ftigte die Kl盲gerin bis zum 30. September 2012 als Krankenschwester zu einem Bruttomonatsentgelt iHv. zuletzt 3.039,65 Euro. Nachdem sich die Kl盲gerin um die Teilnahme an einer von der Beklagten angebotenen Weiterbildungsma脽nahme beworben hatte, schlossen die Parteien unter dem 1. Oktober 2008 eine Vereinbarung 鈥灻糱er die Teilnahme an der Fachweiterbildung An盲sthesie und Intensivpflege鈥. Hierin verpflichtete sich die Kl盲gerin gegen眉ber der Beklagten, ihr die Aufwendungen f眉r die Weiterbildung iHv. 5.231,00 Euro ua. zu zwei Dritteln f眉r den Fall zu erstatten, dass das Arbeitsverh盲ltnis vor dem Ablauf von zwei Jahren nach Abschluss der Weiterbildung aus einem von ihr zu vertretenden Grund endet.
Die Kl盲gerin nahm an der Weiterbildungsma脽nahme im Zeitraum vom 1. November 2008 bis zum 31. Oktober 2010 teil. Mit Schreiben vom 25. Juni 2012 erkl盲rte die Kl盲gerin die K眉ndigung des Arbeitsverh盲ltnisses zum 30. September 2012. Mit Schreiben vom 5. Juli 2012 forderte die Beklagte die Kl盲gerin erfolglos auf, an sie zwecks teilweiser R眉ckzahlung 鈥瀌er anteiligen pauschalen Aufwendungen鈥 einen Nettobetrag iHv. 3.784,33 Euro zu zahlen. Unter dem 1. Oktober 2012 erteilte die Beklagte der Kl盲gerin eine Entgeltabrechnung f眉r den Monat September 2012. Diese weist unter Ber眉cksichtigung von 310,78 脺berstunden einen an die Kl盲gerin zu zahlenden Nettobetrag iHv. 4.746,08 Euro aus. Unter der Nummer 鈥8550鈥 findet sich eine als 鈥濧bschlag鈥 bezeichnete Position iHv. 3.784,33 Euro netto, die die Beklagte von dem genannten Nettobetrag in Abzug brachte.
Die Kl盲gerin hat die Auffassung vertreten, die R眉ckzahlungsklausel benachteilige sie unangemessen.
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich eines Betrags iHv. 3.261,57 Euro teilweise in der Hauptsache f眉r erledigt erkl盲rt haben, hat die Kl盲gerin zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.784,33 Euro netto nebst Zinsen iHv. f眉nf Prozentpunkten 眉ber dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2012 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Kl盲gerin zur眉ckgewiesen. Mit der vom Senat durch Beschluss vom 18. Februar 2014 (鈥 9 AZN 1244/13 鈥) zugelassenen Revision verfolgt die Kl盲gerin ihr Klageziel weiter.
听
贰苍迟蝉肠丑别颈诲耻苍驳蝉驳谤眉苍诲别
Die zul盲ssige Revision der Kl盲gerin ist begr眉ndet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Kl盲gerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zur眉ckgewiesen. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Kl盲gerin einen Nettobetrag iHv. 3.784,33 Euro nebst Zinsen iHv. f眉nf Prozentpunkten 眉ber dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2012 zu zahlen. Die Beklagte hat den Entgeltanspruch der Kl盲gerin nicht im Wege der Aufrechnung erf眉llt. Die von der Kl盲gerin beanspruchte Entgeltforderung genie脽t zumindest iHv. 707,62 Euro netto Pf盲ndungsschutz. Im 脺brigen hat die darlegungsbelastete Beklagte nicht vorgetragen, dass ihre Aufrechnung den Anspruch der Kl盲gerin auf Grund- und 脺berstundenverg眉tung zum Erl枚schen gebracht hat.
I. Die Aufrechnung der Beklagten verst枚脽t iHv. 707,62 Euro netto gegen das Aufrechnungsverbot des 搂 394 Satz 1 BGB.
1. 搂 394 Satz 1 BGB schlie脽t eine Aufrechnung gegen eine Forderung aus, soweit diese nicht der Pf盲ndung unterworfen ist. Bei Arbeitseinkommen bestimmt sich der pf盲ndbare Teil gem盲脽 搂 850 Abs. 1 ZPO nach Ma脽gabe der 搂搂 850a bis 850i ZPO. Zur Sicherung des Existenzminimums des Arbeitnehmers und seiner unterhaltsberechtigten Familienangeh枚rigen regelt 搂 850c Abs. 1 ZPO einen unpf盲ndbaren Grundbetrag. Dieser ist entsprechend den Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers gestaffelt und nach oben begrenzt. F眉r den Teil des Arbeitseinkommens, der diesen Grundbetrag 眉bersteigt, gelten die weiteren Pf盲ndungsbeschr盲nkungen des 搂 850c Abs. 2 ZPO (vgl. BAG 5. Dezember 2002 鈥 6 AZR 569/01 鈥 zu 2 b der Gr眉nde).
2. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen sind die gesetzlichen Pf盲ndungsbeschr盲nkungen auch ohne eine R眉ge des Arbeitnehmers zu ber眉cksichtigen. Rechnet der Arbeitgeber gegen Arbeitseinkommen auf, obliegt es ihm vorzutragen, dass die Aufrechnung unter Beachtung der Pf盲ndungsschutzvorschriften erfolgt (vgl. BAG 5. Dezember 2002 鈥 6 AZR 569/01 鈥 zu 2 b der Gr眉nde). Denn die Befugnis des Arbeitgebers, gegen den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers aufzurechnen, ist integraler Teil des Erf眉llungseinwands, den der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Arbeitgeber dem Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers entgegenhalten kann.
3. Geht man zugunsten der Beklagten davon aus, die Kl盲gerin habe keinerlei Unterhaltspflichten zu erf眉llen, betr盲gt der pf盲ndbare Teil des in der Entgeltabrechnung ausgewiesenen Nettobetrags iHv. 4.746,08 Euro auf der Grundlage der zum Aufrechnungszeitpunkt ma脽geblichen Freigrenzen 3.076,71 Euro netto. Die Beklagte brachte von dem Entgeltanspruch der Kl盲gerin einen Nettobetrag iHv. 3.784,33 Euro in Abzug. Die Differenz iHv. 707,62 Euro netto konnte die Beklagte nicht wirksam aufrechnen.
II. Die Beklagte hat nicht dargelegt, ob und gegebenenfalls in welcher H枚he sie hinsichtlich des verbleibenden Restbetrags iHv. 3.076,71 Euro netto das Aufrechnungsverbot des 搂 394 Satz 1 BGB beachtet hat. Die Entgeltabrechnung f眉r den Monat September 2012 weist au脽er der stetigen Monatsverg眉tung iHv. 3.033,00 Euro (Grundverg眉tung iHv. 2.933,00 Euro brutto zuz眉glich einer Zulage iHv. 100,00 Euro) unter der Nummer 鈥3065鈥 auch eine Verg眉tung f眉r 310,78 脺berstunden iHv. 5.444,87 Euro brutto aus. Nach 搂 850a Nr. 1 ZPO sind die auf die Leistung von Mehrarbeit entfallenden Teile des Arbeitseinkommens nur zur H盲lfte pf盲ndbar. Die Einhaltung der sich daraus ergebenden Pf盲ndungsbeschr盲nkungen l盲sst sich aufgrund der unzureichenden Angaben der Beklagten nicht pr眉fen. Welcher Teil des ausgewiesenen Gesamtnettobetrags der 脺berstundenverg眉tung zuzurechnen ist, ergibt sich aus der Entgeltabrechnung nicht. Im Urteilsverfahren, f眉r das der Beibringungsgrundsatz gilt, ist es nicht Sache der Gerichte f眉r Arbeitssachen, die pf盲ndbaren Teile des Arbeitseinkommens zu ermitteln. Gen眉gt der Arbeitgeber seiner diesbez眉glichen Obliegenheit nicht, ist der Erf眉llungseinwand unbeachtlich (vgl. BAG 5. Dezember 2002 鈥 6 AZR 569/01 鈥 zu 2 b der Gr眉nde).
III. Der Zinsanspruch folgt aus den gesetzlichen Vorschriften 眉ber den Schuldnerverzug.
IV. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (搂 91 Abs. 1 ZPO).
听
Unterschriften
Br眉hler, Klose, Suckow, Vogg, Spiekermann
听
Fundstellen
亿兆体育-Index 8621045 |
DB 2015, 2703 |
FA 2015, 373 |
ZTR 2015, 710 |
AP 2016 |
EzA-SD 2015, 6 |
EzA 2016 |
ArbR 2015, 526 |
GK/BW 2017, 134 |
RdW 2016, 152 |
StX 2015, 703 |
GK/Bay 2016, 316 |