Besser, schneller, länger – Doping im „Hamsterrad“

Aus der Hirnforschung der vergangenen Jahre ist bekannt, dass Muskeln und Hirn mehr oder weniger gleich funktionieren. Leistung, egal ob körperlicher oder geistiger Natur, löst immer eine Stresskaskade aus. Dies hat zur Folge, dass eine Reihe von Hormonen ausgeschüttet werden. Prominent ist dabei das Stresshormon Kortisol, welches prinzipiell positiv ist und uns leistungsfähig macht. Eine gesundheitsschädliche und vor allem leistungsmindernde Wirkung löst Kortisol nur dann aus, wenn es nicht abgebaut wird. Dies passiert, wenn es uns „zu viel“ wird, wir uns nicht erholen können.
Arbeitsalltag in Dauerschleife
Lange nach Feierabend kreisen bei vielen Beschäftigten die Gedanken weiterhin um den Job. Die ständige Erreichbarkeit oder auch einfach das Gefühl erreichbar sein zu müssen, erschwert das zur Ruhe kommen. Wesentliche Einflussfaktoren auf das mentale Abschalten sind u.a. hohe Arbeitsanforderungen wie z. B. Zeitdruck als auch das Erledigen von Arbeitsaufgaben während der Ruhezeit, welche mit einem geringeren Abschalten von der Arbeit einhergehen.
Das nie wirklich „Abschalten-Können“ führt dazu, dass Betroffene Arbeitnehmer auch zu später Stunde noch wach im Bett liegen und sich das Gedankenkarussell um anstehende Projekte in der Dauerschleife dreht. Dies kann ernsthafte Folgen haben. Abschalten übernimmt eine ganz wichtige Funktion für Körper und Geist und dient als Grundlage, um Anspannungen abbauen und dem Körper Erholung geben zu können. Erholungsfähigkeit ist die Voraussetzung für unsere Leistungsfähigkeit.
Anstatt der Erholungsfähigkeit „Raum“ zu geben, macht unsere Gesellschaft vom „Hirndoping“ Gebrauch, um im „Hamsterrad“ bestehen zu können. Hirndoping ist ein neuer Begriff für Medikamentenmissbrauch. In der heutigen Leistungsgesellschaft streben immer mehr Menschen nach dem Wunsch, ihr Gehirn aber auch ihren Körper leistungsfähiger zu machen, weniger Sorgen zu haben oder einfach besser gelaunt zu sein.
Doping am Arbeitsplatz
Neben Medikamenten, welche der Verschreibungspflicht unterliegen, werden dafür auch illegale Substanzen eingenommen. Als Grund für „Doping“ im Beruf werden neben dem beruflichen Erfolg, der Arbeitserleichterung und das Meistern schwieriger Situationen auch die emotionale Stabilität sowie der Gewinn neuer Energie für das Privatleben genannt. Laut dem iga.Wegweiser „Hirndoping am Arbeitsplatz“ (Cosmar & Jahn, 2016) nehmen rund zwei Prozent der Beschäftigten in Deutschland täglich leistungssteigernde oder stimmungsaufhellende Medikamente, das sind rund 700.000 Arbeitnehmer bundesweit.
Ein ganz wichtiger und schützender Effekt geht von Arbeitsressourcen aus, wie z.B. soziale Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte. Die Führungskräfte nehmen dabei eine relevante Vorbildfunktion ein. So können Information und Aufklärung über die Risiken von Hirndoping ein gesundheitsgerechtes Verhalten der Beschäftigten fördern und Missbrauch vorbeugen.
Folgende konkrete Maßnahmen können bei der verhältnisorientierten Prävention im Unternehmen sinnvoll sein:
- realistische Gestaltung von Arbeitsmenge und Personalplanung,
- Vermeidung ständiger Leistungsvergleiche, Vereinbarung eines gemeinsamen Verständnisses von Zielen,
- Bewältigung emotionaler Anforderungen,
- Minimierung unsicherer Beschäftigungsverhältnisse,
- Bereitstellung von Angeboten zur individuellen Beratung (Cosmar & Jahn, 2016).
Aus dem Hamsterrad aussteigen
Aber auch in Eigeninitiative kann aktiv das mentale Abschalten gefördert werden. Abschalten lässt sich lernen - auch wenn es anfangs herausfordernd ist. Ein erster Schritt: schalten Sie wortwörtlich ab. Schalten Sie den Laptop oder das Smartphone einfach mal aus und auch eine Dauerbeschallung durch Radio oder Fernseher muss nicht sein.
Nutzen Sie den „Ausschalter“ auch symbolisch für sich selbst um in den „offline-Modus“ zu kommen. So fällt es leichter im übertragenen Sinne innerlich abzuschalten. Lassen Sie Körper und Geist zur Ruhe kommen, entlasten sie die Psyche, geben Sie der physischen wie psychischen Entspannung Raum.
Entscheidend zu erkennen ist, dass man selbst die Person ist, die darüber entscheidet das Hamsterrad zu verlassen bzw. das eigene Wohlfühltempo zu bestimmen … und als „gesundes“ Hirndoping die Erholungsfähigkeit einsetzt.
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Vielleicht mag die Redaktion hier im eigenen Interesse nachbessern.